A David Caruso Tribute - FanFiction

Another year has gone by

Re: Another year has gone by

Der Freitag vor dem Sonntag

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Es war wieder Freitag. Der Freitag. Der Freitag vor dem Sonntag.

Und es war gerade mal acht Uhr als John die große Vorhalle des 15. Reviers betrat. Noch war es hier ruhig. Kaum ein Mensch war zu sehen und nur eine Handvoll Männer und Frauen in ihren Uniformen schritten gemächlich durch die die Halle. Unterhielten sich leise, oder tranken hinter dem Pult der Aufnahme ihren Kaffee, während sie leise miteinander flüsterten. Aber selbst diese wenigen Menschen konnten die Luft um sich herum mit Spannung füllen – mit der Spannung auf ein gemeinsames Essen, daß sie übermorgen miteinander teilen und wo sie sich außerhalb der regulären Arbeitszeit treffen würden. 

Und diese spürbare Energie brachte John zum Lächeln, als er zu dem Counter ging, um nach Nachrichten für sich zu fragen. Dies und die Tatsache, daß die Sonne endlich die Regenwolken vertrieben hatte. Außerhalb der dunklen Mauern, die fast ausschließlich von dem künstlichen Licht der Arbeit erhellt wurden, herrschte ein Frühlingstag wie er im Buche stand. Ein blauer Himmel, die ersten warmen Strahlen und Temperaturen, die nun wirklich mehr an den bevor stehenden Sommer erinnerten, als an den Winter den sie gerade hinter sich gebracht hatten.

 

Und das Wochenende stand bevor. Zwei freie Tage, die ihm Erholung von dem Streß der letzten Woche erlaubten. Nichts war so gelaufen, wie Andy und er es sich vorgestellt hatten. Ihren Versuch Diabolos Mutter zu besuchen, hatten sie auf jeden nächsten Tag der Woche verschoben, da der laufende keine Zeit mit sich brachte. Aber da der Fall bereits ein abgeschlossener war und Zeit nicht mehr der bedeutendste Faktor in ihm spielte, machten sich Andy und er keinen Streß. Die Zeit für den Besuch würde kommen und dann konnten sie ihr alle Fragen stellen, die sie für nötig hielten.

Jetzt aber begrüßte John den Mann hinter dem Counter, der seine Tasse beiseite stellte, als er John auf sich zu kommen sah. „Guten Morgen, Detective Kelly.“ „Guten morgen, Sergeant Agostini.“ Beide Männer grinsten sich bei dieser förmlichen Begrüßung über dem Pult hinweg an. „Andy ist schon da“, wurde John von dem Mann in den Fünfzigern informiert, während er auf der Arbeitsplatte vor sich die Nachrichten raussuchte, die für Johns Hände bestimmt waren und sie ihm dann hinüber reichte. „Jetzt schon?“ John sah auf die Uhr über dem Tresen. Es war gerade erst kurz nach acht und lag damit weit vor Andys üblichen Arbeitsbeginn. „Ja“, erwiderte Agostini, „ich war selbst ganz erstaunt als ich ihn herein kommen sah. Aber er murmelte was von viel zu viel Arbeit und strich sich mit seinem Taschentuch dabei immer wieder übers Gesicht.“

John sah von den Notizen in seiner Hand zu dem Sergeant hinter dem Tresen hoch. Sein Haar fing bereits an grau zu werden und sein Köper war nicht mehr der eines zwanzig jährigen, trotzdem war das Lächeln das sein Gesicht erhellte das eines Jünglings, der gerade einen gelungenen Streich hinter sich hatte.

„Wie stehen denn die Wetten im Augenblick?“, fragte John neugierig nach. Es gab immer Wetten im Revier. Wegen jedem und allem. Und ein Andy, dem die Panik eines gemeinsamen Ostessens im Gesicht geschrieben stand, war immer einen Wettstreit wert.

„Drei zu eins, daß im letzten Moment ein Mord geschieht, bei dessen Lösung er unbedingt helfen muß.“ John sah lächelnd auf die Zettel in seiner Hand, während seine Augen ihn nur nachlässig überflogen.

„Sollte das eintreffen, können wir danach gleich in einem neuen Mordfall untersuchen und wir werden dafür nicht einmal die Hilfe des Csi benötigen, denn Sylvia wird es sich nicht nehmen lassen Andy selbst umzubringen!“ John steckte mit einem breiten Lächeln die Zettel in die Tasche seines Jacketts. „Und ich wette, daß es kein schöner Tod für Andy sein wird!“

„Die Wette halte ich!“, lachte Agostini.

John zwinkerte dem Sergeant zu und klopfte zum Abschied auf den Pult. „Wir sehen uns.“

Wie John es sich schon gedacht hatte, stand Andy mal wieder vor dem schwarzen Brett. Sein neuer Lieblingsort, wenn er sich nicht beobachtet fühlte. Das Taschentuch in seiner Hand war heute blau mit schwarzem Muster und es wischte mit der gleichen Eilfertigkeit wie schon in den letzten Tagen über die nasse Stirn seines Partners.

 „Morgen Andy. Du bist früh dran.“ Erschrocken fuhr Andy bei Johns Worten zusammen und ließ das Taschentuch ertappt wieder in seiner Hosentasche verschwinden. Es war offensichtlich, daß er John um diese Uhrzeit weder erwartet hatte zu sehen, noch daß er ihn kommen gehört hatte.

„Morgen“, grüßte er John zurück.“ Kleine Schweißperlen lagen auf seiner Stirn, die nun aber nicht mehr weggewischt wurden. „Das Telefon hat mich heute morgen geweckt und da dachte ich, daß wenn ich schon mal wach bin, ich auch schon her kommen könnte.“

„Mhmm, Sylvia?“, riet John.

„Du sagst es. Sie hat um sechs Uhr angerufen, um mir zu erzählen, daß ich den blauen Anzug morgen mitnehmen soll, wenn ich zu ihr komme. Und die dunkelblaue Krawatte. Sie würde so schön zu dem Kleid passen, daß sie anziehen will.“ Ironie und Verzweiflung klangen gleichermaßen in seiner Stimme mit und konnten sich nicht entscheiden wer von ihnen die Oberhand über Andys Stimmung behielt. Doch nach einer Sekunde hatte sich das Gefühl in ihm entschieden. Es war die Ironie.

„Wir sehen uns heute bestimmt noch fünf Mal, hätte es nicht ausgereicht, wenn sie es mir dann erzählt? Mußte sie mich deswegen extra anrufen?“ Und mir damit den Tag verderben, bevor er überhaupt angefangen hat? Unausgesprochen hing der Vorwurf in der Luft. Zusammen mit einem unglücklichen Lächeln. „Kopf hoch Andy“, versuchte John seinen Partner wie schon so oft in letzter Zeit aufzumuntern. „Du schaffst das schon. Und du wirst sehen, wenn du dieses Treffen hinter dir hast, dann sieht Montag die Welt schon wieder viel freundlicher für dich aus.“

„Das sagst du“, murmelte Andy. Er zerknüllte das Taschentuch in seiner Hosentasche zu einem festen Ball und schlug zusammen mit John den Weg zu ihren Schreibtischen ein. Nicht um schon zu arbeiten, sondern für eine heiße Tasse Kaffee und ein Gespräch, daß um diese Uhrzeit noch keiner stören würde. „Wie stehen die Wetten?“

„Ich habe gerade Agostini gefragt und er sagte, daß sie momentan bei drei zu eins stehen, daß du kneifst“, grinste John. „Aber wenn du mich fragst, dann werden sie heute noch mal gewaltig in die Höhe steigen. Es ist der letzte Tag.“

 „Großartig“, brummte Andy vor sich hin. „Soviel zu, daß jeder hier Verständnis für mich und meine Situation hat.“ „Sieh es anders, Andy“, sagte John und ging zu der Kaffeemaschine um den ersten Kaffee des Tages aufzusetzen. Es würden noch viele folgen, aber der erste gehörte Andy und ihm. Noch war die Etage leer und kein Mensch hatte sich hierher verirrt. Nicht einmal Fancy, der bekannt dafür war, vor allen anderen hier zu sein, war da.

„Wenn es Wetten gibt, dann heißt es auch, daß sie es wissen.“

„Toller Trost.“ Doch Andy meinte es nicht so wie die Worte es vielleicht ausdrücken wollten. Es klang depressiv und mutlos. Und diese Hoffnungslosigkeit drückte sich auch in der Geste aus, mit der Andy sein Jackett über die Stuhllehne warf und sich dann in ihm fallen ließ.  „Wenn sie es wissen, warum wetten sie dann?“

 „Andy“, lachte John und schüttelte in sichtlicher Erheiterung den Kopf. Er hatte sich an die Wand neben der Kaffeemaschine gelehnt und vergrub die Hände in seinen Hosentaschen, während er seinen Freund aufklärte.

 „Du weißt selbst, daß hier um alles und jeden gewettet wird. Denk doch nur mal daran, als Laurie hier angefangen hat. Da gab es Wetten, ob wir die Scheidung wieder zurück nehmen oder ober wir uns die Schädel einschlagen...“

„Vollkommen hirnrissige Wetten“, warf Andy ein, „man sollte doch meinen, daß unsere lieben Kollegen wissen, daß es überhaupt nicht deine Art ist Streit offen auszutragen.“ John sagte nichts, sondern sah Andy nur an. Es hatte einen Moment gegeben, wo er offen gestritten hatte. Und Andy wußte es genauso gut wie er.

„Das mit Diabolo Akte war beruflich gewesen“, konterte Andy sofort, als er Johns zweifelnden Gesichtsausdruck sah. „Nichts desto Trotz war es ein Streit gewesen und es gab niemanden der nicht davon gehört hatte.“ John erinnerte sich nur zu gut an die grinsenden Gesichter die ihn erwartet hatten, als er wieder zu seinem Schreibtisch ging. Und er erinnerte sich auch noch sehr gut an den lauernden Ausdruck in den Augen seiner Kollegen in den nächsten Tagen.

Die Kaffeemaschine fing an zu gluckern und John löste sich von der Wand, um zwei Tassen bereit zu stellen.

„Ist ja auch egal“, versetzte Andy. „Auf jeden Fall ist bald Sonntag und dann werden sie mich alle gierig mit ihren Augen verschlingen.“ „Jetzt übertreib mal nicht.“ John stellte Andys Kaffeetasse vor ihn hin und begab sich dann zu seinem eigenen Stuhl. „Klar werden sie dich mit Argusaugen beobachten, aber sie meinen es nicht so. Sie wollen nur wissen, ob sie nun Geld verloren oder gewonnen haben.“ John griente, während er sein eigenes Jackett über die Stuhllehne hing und sich dann die Hemdsärmel aufrollte. Über den Tisch hinweg beobachtete Andy seinen Partner und wartete bis er sich ebenfalls gesetzt hatte.

„Du kannst einen wirklich toll aufbauen, John. Hast du vielleicht noch mehr von diesen aufbauenden Worte auf Lager?“ John nahm seinen eigenen Becher zur Hand. „Laß mich mal überlegen“, lächelte er. „Wie wär‘s mit: Nach Regen folgt Sonnenschein?“ „Spar es dir. Es war nur eine rein hypothetische Frage.“ Sie grinsten sich über den Rand ihrer Becher hinweg an. Der eine ein wenig besser gelaunt als der andere.

„Wie sehen denn deine Pläne für den Sonntag aus?“, wollte Andy schließlich wissen und brach damit das Schweigen, das sich zwischenzeitlich bei ihnen eingestellt hatte.

„Was meinst du? Sylvia hat den Tisch für zwei Uhr reserviert. Das heißt, daß der Nachmittag und der Abend wahrscheinlich hin sein wird.“ Doch trotz dieser Worte wußte John ganz genau, wo Andy mit seiner Frage hin wollte. „Danke, daß du mich daran erinnerst, daß ich so lange durchhalten muß.“ Andys Stimme tropfte nur so von Sarkasmus. „Nein, daß meine ich nicht und das weißt du auch. Ich will wissen, ob du an dem Tag endlich dein Schweigen gegenüber Laurie brechen willst.“ Ein Schluck von seinem Kaffee und ein Blinzeln über die Tasse hinweg, aber John sagte nichts. „Ich weiß nicht was du willst, wir reden doch wieder miteinander“, sagte er schließlich.

„Oh ja, das tut ihr“, lächelte Andy sarkastisch. „Laurie ich brauche einen Durchsuchungsbefehl. Laurie was meinst du, kannst du dem Kerl mit dem was du hast in den Knast bringen? Laurie, ich brauche dich für eine Gegenüberstellung..... Ein großartige Kommunikation ist das zwischen euch.“ Abrupt stellte Andy die Tasse wieder auf den Tisch vor sich ab. „John, das ist nicht das was ich unter einer Unterhaltung verstehe. Ihr habt früher soviel gelacht, soviel miteinander unternommen. Warum stellst du dich seit der Sache mit Mika so verdammt stur?  Du müßtest doch Laurie eigentlich gut genug kennen um zu wissen, daß sie sich niemals in Dinge einmischen würde die sie nichts angehen.“

„Nun, das habe ich bisher auch gedacht. Aber wie es aussieht hat sich Laurie in der Zeit unserer Trennung verändert und mischt sich nun auch in Dinge ein, die sie nichts angehen.“ Der Becher in Johns Hand wanderte zum Mund und wurde einen Schluck später wieder auf die Tischplatte zurück gestellt.

Da war es wieder, dachte Andy. Mika war die Unschuld in Person und Laurie war in der Schublade der Verdammnis gewandert. Wie konnte sein Freund nur so verdammt stur sein? Dennoch war Andy nicht bereit das Thema so einfach fallen zu lassen. Das Osteressen stand vor der Tür und damit die beste Gelegenheit für beide endlich reinen Tisch zu machen.

„Weißt du John, bisher habe ich mich aus allem heraus gehalten. Ich hatte immer ein offenes Ohr für dich und deinen Kummer!“

„Ich weiߓ, warf John ein, aber Andy ignorierte diesen Einwurf. Statt dessen lehnte er sich in seinem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust, während er John offen in die Augen sah. „Aber ich denke, daß du dir keinen Zacken aus der Krone brichst, wenn du dir anhörst warum sie zu Mika gegangen ist.“

  Über den Tisch hinweg sah John Andy an. Der Becher in seinen Händen drehte sich und er schwieg. Sagte für eine geschlagene Minute gar nichts. Und führte dann das Thema in eine andere Richtung. Eine andere Richtung, welche aber doch nicht so weit von dem entfernt lag, von dem was Andy von ihm forderte.

„Andy, es geht dir doch gar nicht darum, daß ich mich mit Laurie über Mika unterhalte. Nein, unterbrich mich jetzt nicht“, abwehrend hob John die Hand. „Du hast Recht, wenn du sagst, daß ich mit Laurie drüber reden muß. Vielleicht hat sie sich ja auch gar nicht so verändert und sie hatte einen Grund für ihr Handeln. Aber es geht dir in erster Linie gar nicht um Mika. Und du redest hier auch nicht von einer einfachen Freundschaft. Du redest doch von einem Gespräch über unsere Ehe. Unsere nicht mehr vorhandene Ehe“, setzte er noch nach einem Nippen von seinem Kaffee hinzu. Andy zuckte mit den Schultern und schob trotzig das Kinn vor. „Und? Wenn es so wäre? Was wäre so verkehrt daran, daß ihr jetzt, nachdem ihr schon solange getrennt seid, noch einmal zusammen setzt und euch mal aussprecht.“ „Wir reden doch schon lange nicht mehr miteinander“, seufzte John. „Aneinander vorbei, ja. Das haben wir in den letzten Jahren zur Perfektion getrieben- aber miteinander? Nein.“

„Dann wäre es doch jetzt ein guter Anfang, findest du nicht?“ Andy beobachtete wie John nervös mit den Fingern auf die Tischplatte hämmerte und sie dabei überlegend beobachtete.  Andy sah ebenfalls auf seine Finger hinunter. Sie waren dicker, wulstiger als Johns schmale und schlanke. Aber sie konnten genauso fest zupacken, wie die seines Partners. Fester sogar. Denn Andy hatte zwar Schwierigkeiten mit Sylvia und ihrem Wunsch nach einer öffentlichen Beziehung, aber gegen die Probleme die sich bei John und Laurie niedergesetzt hatte, waren sie nichts weiter als ein Haufen Zuckerwatte. Klebrig und Zahnschmerzen bereitend, aber man konnte sie zumindestens hinunter schlucken.

Nachdenklich sah Andy von seinen Fingern zu den seines Freundes. So lange kannte er ihn schon. Hatte jede Kleinigkeit aus seinem Leben mitbekommen. Von dem Augenblick an, wo John zu ihnen aufs Revier kam; stolz und mit durch gedrückten Rücken – bereit dem Verbrechen das Handwerk zu legen. Sein gewinnendes Lächeln auf den Lippen und die Augen unnachgiebig vor Gerechtigkeit. Er hatte sofort gewußt, daß er diesen Neuling ausbilden wollte, daß er ein guter Detective werden würde – und er hatte sich  nicht geirrt.

Er hatte Laurie kennengelernt. Hatte in ihnen beiden diese bedingungslose Liebe gesehen. Am Anfang noch von der Naivität der Jugend geprägt, aber dann im Laufe der Jahre, zu einem Felsen der jeder Brandung stand halten konnte. Fast jeder Brandung. Denn Andy hatte auch den Untergang gesehen. Vor drei Jahren. Auf dem Höhepunkt ihres privaten Glücks.

„John, ihr tut Aimee und euch keinen Gefallen, wenn ihr das Thema unter den Tisch kehrt.“   Langsam sah Andy von John seinen Fingern zu seinen Augen hoch und versuchte soviel Mitgefühl in diesem Blick unter zu bringen, wie es ihm die frühe Uhrzeit erlaubte. Es war das erste Mal seit sehr langer Zeit, daß Andy sich getraute das Thema wieder zur Sprache zu bringen. Am Anfang, da hatten sie noch darüber gesprochen. Es war zwar nur wenig gewesen und es war auch eigentlich mehr Andy als John gewesen, der darüber gesprochen hatte, doch irgendwann war es dann gänzlich verschwunden. Abgeblockt von John, der nicht weiter darüber reden wollte, damit die Wunden Zeit hatten sich zu schließen.

Oder aber, weil er..... Laurie die Schuld daran gab? Nein, darüber wollte Andy nicht einmal nachdenken. Aber es würde die Sturheit und die Unnachgiebigkeit Laurie gegenüber erklären.      Nein, Andy schüttelte über seinen Gedanken den Kopf, während er drauf wartete, daß sein Freund etwas sagte – irgend etwas sagte. Doch John schwieg. Überrascht war sein Kopf bei diesen unerwarteten Satz hochgeruckt, aber dann senkte sich sein Blick wieder auf seine Finger, welche mit anmutiger Langsamkeit auf das Braun der Tischplatte zurück sanken. Still blieben sie liegen. Gespreizt und gerade. Dann unter der Macht mit der die Gefühle ihn übermannten, krümmten sie sich und schlossen sich zu einer festen Faust. Er sah auf diese Faust und Andy sah wie er sie unter scheinbarer großer Anstrengung wieder öffnete. Fast. Die Nägel gruben sich wieder in die Handflächen und blieben dann dort.

„Sie hat nichts damit zu tun“, flüsterte er schließlich leise und hob endlich den Blick wieder zu Andy. „Sie hat nichts mit Laurie oder mit mir zu tun, Andy.“ Worte die sich wiederholten und dabei noch leiser klangen als die ersten.

Andy sah von den Augen seines Freundes wieder auf die Faust auf dem Tisch. Tränen schwammen auf der Traurigkeit in seinem Herzen, als er an Aimee dachte. John und Lauries kleine Tochter. Als Wunschkind geboren und mit soviel Liebe erwartet, wie kaum ein anderes Baby zuvor. Der wahr gewordene Wunsch einer tiefen Liebe. Der, eines morgens, kaum sechs Monate später, so unerwartet zerbrochen war.

Ein Schrei wäre zu ertragen gewesen, hatte John damals erzählt. Aber nicht diese Stille, die in dem Zimmer geherrscht hatte. Es gab kein Wimmern, kein Weinen. Keine Hysterie, kein verzweifelter Versuch das Leben in ihre Lungen zurück zu bekommen. Aimee war schon Stunden vorher entschlafen und nun so kalt, wie der Körper ihrer Mutter den John vor lauter Verzweiflung umschlang.

„Sie hat nichts damit zu tun“, widerholte John ein drittes Mal und stand dann auf um sich einen neuen Kaffee zu holen. Andys Augen folgten ihm wie er den Raum zu der Kaffeemaschine durchquerte. Es war nicht mehr der gerade Gang eines Mannes, der wußte wohin ihn das Leben führte. Seine Schultern waren vor vielen Jahren nach vorn gesunken und der einstmals so gerade Rücken beugte sich. Einzig und allein der Kopf war hoch erhoben. Er würde weiter gehen, wußte Andy. Immer weiter. Nicht mehr nach hinten schauen und versuchen zu vergessen was war.

Langsam erwachte das Revier zum Leben. Die ersten Stimmen wurden laut und die ersten Detectives tauchten an ihrem Arbeitsplatz auf. John grüßte lächelnd Medavoy der zur Tür herein kam und bot James einen Kaffee an. Lieutenant Fancy tauchte auf. Das übliche nichtssagende Lächeln im Gesicht, mit dem üblicheren selbstsicheren Gang eines Mannes der hier die Verantwortung trug. Nur wenige Schritte hinter ihm trat Donna durch den kleinen Gartenzaun. Sie zwinkerte Greg Medavoy verschwörerisch zu, bevor sie ihre Handtasche in dem Fach ihres Schreibtisches verstaute, wo sie jeden Tag einen Platz fand. Das Telefon klingelte. Die Stimmen erhoben sich. Murmeln und Lachen. Grüße und Fragen.

Still saß Andy auf seinem Platz. Die Hände vor sich auf dem Schreibtisch gefaltet, beobachtete er John, wie er sich in den frühmorgendlichen Rhythmus der Arbeit einfügte und sich in ein Gespräch mit James vertiefte. Sein Rücken straffte sich und sein Kinn reckte sich der Decke entgegen. Doch seine Wangenmuskeln mahlten.

Es gab zwei Möglichkeiten, wenn ein Unglück dieser Art geschah. Die eine davon war, daß es die Partner aneinander schweißte. Die andere war, daß es sie entzweite.

Andy war nicht bereit zuzugeben, daß es die zweite Möglichkeit war, die bei John und Laurie nach drei Jahren nun doch eingetreten war. Sie mußten reden….Sie mußten Aimee wieder lebendig werden lassen, damit sie selbst damit fertig werden konnten…...

Nur wie brachte man zwei so verletzte Menschen, die soviel Sturheit in sich trugen, dazu über den Schmerz und die Wut in sich zu reden?





Re: Another year has gone by

Hossa, aber nun?!!! Aimee?? Ein neuer Reibungspunkt der hier zwischen John und Laurie auftaucht und von dem wir hier alle noch nichts wußten! Wow, Chyio...ich hielt jetzt gerade so richtig die Luft an als ich das las! Die beiden hatten ein Baby und haben es auch wieder verloren, eine sehr traurige Situation!! Jetzt hoffe ich noch mehr wie vorher das die beiden endlich miteinander reden, es gibt zwischen Ihnen soviel auszusprechen, klarzulegen! Das eine Beziehung an sowas kaputt gehen kann ist nichts neues, aber die beiden sollten sich noch eine zweite Chance geben! Definitiv!!!

Wieder klasse geschrieben Chyio, die richtigen Worte gefunden für die Situation der beiden und die Sichtweise von Andy, einfach super beschrieben!

Was Neve angeht...ich will irgendwie nicht an die Frau denken, aber über kurz oder lang muß ich mich wohl wieder mit ihr befassen! Das hat Zeit bis es soweit ist!

LG Flymoon






Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

hey chyio,

ich hab Dir ja schon meine Meinung mitgeteilt, hab das Kapitel aber nun doch noch mal gelesen und bin immer wieder hingerissen von Deiner einfühlsamen Ausdrucksweise, die hier bei diesem prisanten Thema wohl mehr als angebracht ist und war.

Annsonsten sehe ich immer mit Freude, den sich windenden Andy vor mir, der großen Bammel vor dem Sonntag hat und auch hier muß ich wieder sagen, genau wie bei Laurie, gut dass man verständnisvolle Freunde hat, die einen mit Rat und Tat zur Seite stehen.

Somit ist der Weg geebnet für das große Ereignis, welches nun kommen soll!!!

LG Eve

Re: Another year has gone by

Nach einer kleinen, aber wohl verdienten Pause, geht es heute dann endlich weiter. Und wie es aussieht, habe ich auch für eine kleine Überraschung gesorgt.

@Flymoon: Ja, Aimee! Was hab ich gegrinst, als ich Deine FB gelesen habe. Ich konnte mir Dein Gesichtsausdruck nur zu bildlich vorstellen. Es gibt also wirklich einen Grund, daß sie sich teilweise so schwer miteinander tun.

@Eve: Ich freue mich immer wieder Dich hier zusehen. Vor allen Dingen, weil ich es wirklich nicht mehr erwarte. Und ich freue mich, daß ich es geschafft habe, daß Thema doch einigermaßen geschickt rüber gebracht zu haben. Allein an dieser kurzen Rückblende, die ja nicht viele Sätze beinhaltet hatte, habe ich Stunden gesessen – und das ist keine Übertreibung. Viel zu erzählen, ohne viel zu sagen ist wirklich nicht immer leicht.

Noch einmal kurz was allgemeines zu dem Kapitel, daß ja nun doch ziemlich überraschend war.

Aimee habe ich in der Geschichte schon vor langer Zeit angefangen einzuführen. Das erste Mal bei Lauries Sparziergang zur Mitternachtsmesse. Ihr Angst, daß sie von Danny schwanger ist und noch bei vielen anderen Gelegenheiten. Aber ich weiß, daß ich es zu spät konkret zur Sprache gebracht habe. Dafür gibt es aber auch eine ganz einfache Erklärung: ich habe nicht gewußt, daß meine Geschichte so lang wird und diese Andeutungen durch die Länge einfach untergehen.

Aber jetzt genug geredet, hier kommt nun endlich der erste Teil des nächstens Kapitels, daß ich natürlich durch die Länge aufteilen muß. Kommen wir zu Freunden – ohne die hätten John und Laurie glaube ich keine Chance mehr.

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Wie war das mit Mika?

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Nachdem der morgendliche Alltag auf dem 15. Revier eingetreten war, gab es für Andy keine Möglichkeit mehr mit John eine private Unterhaltung zu führen. Viel zu schnell für seinen Geschmack, nahm der Geräuschpegel um ihn herum zu und erfüllte die Etage mit Leben der Routine, während er selbst noch immer an seinem Schreibtisch saß und mit geschürzten Lippen seinen Partner beobachtete. Lieutenant Fancy erschien in seinem Blickfeld. Akkurat gekleidet in einem schwarzen Anzug und dem weißen Hemd, das er jeden Morgen zur Arbeit trug und das sich mit seinen gedeckten Farben kaum von seiner dunklen Hautfarbe abhoben. Er blieb bei John und Martinez stehen und Andy sah, wie er die beiden mit einem Lächeln und einem Nicken begrüßte. Sie redeten. Das nichtssagende Lächeln in Fancys Gesicht wurde offener und endete schließlich in einem Lachen. Andy saß zu weit weg um zu hören worum es ging, aber er sah, wie James Gesicht sich erhellte bis seine Lippen das Lächeln wiederspiegelten, daß seine Augen schon bei der Fragestellung erreicht hatte. John lächelte auch. Zurückhaltend, mehr ein Schmunzeln in Andys Augen, aber dennoch ganz klar eine offensichtliche Belustigung.

Und er saß als stiller Beobachter der Ereignisse an seinem Schreibtisch, drehte unaufhörlich die Kaffeetasse in seinen Händen und fragte sich worüber die drei sich amüsierten.

Ob es um Sonntag ging? Um das Osteressen? Um ihn?

Andy schüttelte resolut den Kopf und schob mit einem heftigen Ruck seine Kaffeetasse über den Tisch. Verdammt, er hatte die Nase voll davon, daß alle sich hier so königlich über ihn amüsierten! Konnten sie ihn nicht in Frieden lassen! Schnell stand er auf, zog sich den Bund seiner Hose ein Stück weit den Bauch hoch und ging dann zu den drei Männern hinüber. Er würde ihnen sagen, was er davon hielt, daß sie sich so rücksichtslos in seine Privatangelegenheiten mischten. Es ging sie nichts an!

„...ich möchte ihr gerne was besonderes schenken. Wenn sie also die Ohren offenhalten könnten... und mir Bescheid geben, wenn sie etwas in der Richtung hören?“

Mißtrauisch kniff Andy die Augen zusammen. Das klang nicht so, als ob der Sonntag das Gesprächsthema gewesen war.

„Guten Morgen Sir.“ Andy hatte die kleine Gruppe von den drei Männern erreicht.

„Guten Morgen Andy. Mit ihren guten Ohren haben sie von ihrem Schreibtisch aus bestimmt mitbekommen worum es ging“, Fancy lächelte Andy an und umfaßte die schwarze Tasche in seiner Hand fester. „Wenn ihnen irgend etwas einfällt, oder sie etwas hören, dann sagen sie mir einfach Bescheid, in Ordnung?“

„Sicher, Sir!“ Um was ging es hier eigentlich? Doch sein Chef machte keine weiteren Andeutungen aus denen Andy was hätte ableiten können, sondern wandte sich seinem Büro zu, um in ihm zu verschwinden. Die Tür schloß sich hinter ihm und Andy starrte geraume Zeit noch auf das schmutzige weiß der Lackierung, bevor er seinen Blick zu dem Fenster gleiten ließ, daß ihrem Chef eine Übersicht über die Arbeitsplätze seiner Detectives gestatte. Wie üblich waren die Jalousien herunter gelassen und wie üblich konnte man durch sie nur schemenhaft erkennen was sich in den vier Wänden abspielte.

„Was meint er damit, ich soll die Augen und Ohren offen halten“, fragte Andy John und beobachtete, wie Fancy seine Tasche auf dem Schreibtisch abstellte. Doch er packte sie nicht gleich aus, nahm statt dessen den Bilderrahmen mit dem Bild seiner Familie zur Hand und betrachtete es lächelnd.

„Er hat in vier Wochen Hochzeitstag und er will einer Frau etwas Besonders schenken, weiß aber noch nicht so genau was“, erklärte ihm John, während er zu der Kommode ging, die direkt neben Fancys Bürotür stand. Er nahm die Kaffeekanne aus der Maschine und schenkte sich seine Tasse voll, während er über die Schulter hinweg weiter zu Andy sprach.

"Vermutlich will er bei seiner Frau einen guten Eindruck machen, damit er nicht den Ärger mit ihr bekommt, den du mit Sylvia hast.“ Als er sich zu seinem Partner umdrehte, mußte John anfangen zu lachen. Andy sah aber auch zu nett aus, wie mit den Händen in den Hüften gestemmt da stand und versuchte ihn mit seinen Blicken zu erdolchen.

„Andy...“ Der Name wurde von John so lang gedehnt, daß man eigentlich nur noch das A und Y hörte. „Das war ein Scherz! Nichts weiter als ein Scherz! Es ist der zwanzigste Hochzeitstag von Fancy und seiner Frau! Deswegen will er sich etwas besondere ausdenken!“

„Schön für ihn“, schnappte Andy und drehte sich sichtbar beleidigt von seinem Partner weg, um zu seinem Schreibtisch zurück zu kehren. John und James warfen sich einen kurzen Blick zu. Der kleine Puertoricaner mit sichtbaren Vergnügen an der ganzen Situation, John mit einem genervten Verdrehen der Augen.

„Komm schon, Andy. Ich hab es nicht so gemeint.“ John setzte sich seinem Freund gegenüber wieder an seinem Platz. Automatisch wanderte seine Hand zu dem Computer und drückte das Knöpfchen das ihn hoch fuhr.

„Ich....“ Eine Stimme am Empfangsbereich bei Donna lenkte ihn von dem Rest seiner Entschuldigung ab und er wandte irritiert den Kopf zu.

„Das ist Jessie!“ Er wußte nicht, ob er es Andy erzählte oder es sich selbst versicherte, aber was auch immer es war, ihre Anwesenheit hier war mehr als verblüffend.  So verblüffend, daß sogar Andy vergaß, daß er eigentlich beleidigt war. Er drehte den Kopf ebenfalls zu dem Empfang und sah die schmale, kleine Frau bei Donna stehen. Die kurzen Locken wippten fröhlich um ihr Gesicht, während sie sich mit Hand und Fuß unterhielt und dann mit einem strahlenden Lächeln ihren Satz beendete. „Die Jessie?“, fragte Andy. „Die Freundin von Laurie?“ Wenn es die Jessie war, dann hatte sie sich gewaltig verändert, seit Andy sie das letzte Mal gesehen hatte. Zugegeben, daß war schon eine ganze Weile her, um genau zu sein auf dem Geburtstag von Laurie vor zwei Jahren. Da hatte sie keine Haare auf dem Kopf gehabt und auch ganz bestimmt kein dezentes Make up getragen. Jetzt aber sah sie regelrecht aus wie eine junge Frau und hatte keinerlei Ähnlichkeiten mehr mit dem ausgeflippten Jungspund von vor zwei Jahren.

„Die Jessie?“, wiederholter er verblüfft. Er wandte sich von der fremden Frau zu John um und sah wie sich dieser bereits aus seinem Stuhl erhob. 

„Genau die.“

„John!“ In dem Augenblick entdeckte auch Jessie den Ex Ehemann ihrer Freundin und strahlte ihn über die Entfernung hinweg an.

„Darf ich?“, fragte sie Donna, welche verblüfft über den herzlichen Ausruf, die Frau vor sich neugierig betrachtete und sich dann umdrehte, um einen Blick über die Schulter zu John zu werfen.

 „Sicher“, antwortete sie ihr, doch sie sprach nur noch mit der Leere der Luft. Jessie hatte schon längst den niedrigen Gartenzaun geöffnet und eilte nun munter auf John zu.

„Hey John! Wie geht es dir? Wir haben uns ja schon lange nicht mehr gesehen!“ Locker und schnell kamen die Worte über ihre Lippen, als ob es die letzten Monate nicht gegeben und sie sich erst letzte Woche gesehen hätten. Jessie sah keinen Grund für Zurückhaltung, schließlich kannte sie John schon ewig und nur durch die Trennung von Laurie war der Kontakt zwischen ihnen beiden eingeschlafen. Aber so wie Andy die Freundschaft und Loyalität zu John hielt, so galt ihre Laurie. Doch jetzt, wo sie sich endlich durchgerungen hatte mit John zu reden, und Lauries Verbot in den Wind zu schießen, freute sie sich aufrichtig ihn wieder zu sehen.

„Komm her!“ Jessie trat dicht an den verblüfften John heran und gab ihm zu ihrer kräftigen Umarmung noch einen Kuß auf die Wange. „Schön dich wiederzusehen!“, flüsterte sie an sein Ohr.

„Gleichfalls.“ Er erwiderte die herzliche Umarmung mit festem Griff. „Aber wenn du gekommen bist um Laurie zu besuchen, dann muß ich dir leider sagen, daß sie Urlaub hat.“ Er löste sich aus Jessies Griff und trat einen Schritt zurück. Jessie seufzte und strich die kurzen Locken aus dem Gesicht.

„Ich weiß. Und du kannst mir glauben, daß ich nicht gekommen wäre, wenn es anders ist!“ Zu Johns Überraschung über Jessies Auftauchen auf dem Revier, gesellte sich nun noch das Erstaunen über ihre Worte. „Aha“, bemerkte er vorsichtig. Jessie biß sich kurz auf die Lippe und fuhr sich ein weiteres Mal durch das Haar. Trat von einem Bein auf das andere und erweckte dadurch für John den Eindruck, als ob sie sich in ihrer Haut nicht sehr wohl fühlte.

„John, ich muß mit dir reden“, platze Jessie schließlich heraus, „kannst du dich für eine Stunde frei machen?“ Bittend schaute sie zu ihm hinauf und fuhr sich dabei ein weiteres Mal durch das Haar. Wenn sie so weiter machte, dann konnte sie es sich in einer Stunde waschen, weil es fettig von dem Schweiß ihrer Hände war. Doch sie war so nervös. Seit sie sich bei ihrer ersten Tasse Tee heute morgen vorgenommen hatte, daß sie entgegen ihrem Versprechen Laurie gegenüber doch mit John über Mika reden wollte, brach ihr der Schweiß in regelmäßigen Abständen immer wieder aus. In schmalen Rinnsalen rann er ihr seit diesem Augenblick den Rücken hinab und trocknete dort unter dem Luftzug ihrer schnellen Schritte. Und selbst die Tatsache, daß sie nicht vor hatte John alles zu erzählen, reichte nicht aus, daß sie sich besser fühlte.

Sie hinterging Laurie in dem sie hier war. Und sie hatte Johns Vertrauen mißbraucht, als sie ihn und Mika beobachtet hatte. Gedanken schossen ihr durch den Kopf, durcheinander gehende Gedanken, die von einem stillen Gebet reichten bis zu der Vorstellung John einfach am Ärmel zu packen und ihm aus den Revier in ein Cafè zu ziehen, damit sie dort beichten konnte. Denn eine Beichte würde es sein. Komm schon John, laß mich nicht hängen! Sag ja! Schweigend beschwor sie ihn in ihren Gedanken ihr die Gelegenheit für dieses Gespräch zu geben.

Prüfend lagen seine Augen auf ihr und nichts in seiner Miene deutete auf ein Gefühl hin, daß Jessie eindeutig hätte zuordnen können und das ihr Erleichterung verschafft hätte.

„Jessie, ich habe momentan sehr viel zu tun und kann hier nicht weg“, antwortete er ihr schließlich und vergrub wie so oft seine Hände in den Hosentaschen.

Jessie fühlte wie sie bei seinen Worten blaß wurde. Er konnte sie doch nicht auch so einfach abschmettern, wie er es in letzter Zeit mit Laurie getan hatte! Sie schoß ihr Versprechen in den Wind und er ließ sie abblitzten?!

Fassungslos starrte sie den Mann vor sich an. Ganz ruhig stand er da, betrachtete sie mit gelassenen Blick und einem leichten Lächeln auf den Lippen. Ein süffisantes Lächeln wie Jessie in ihrer aufsteigenden Wut sich einbildete. Ihre Augen zogen sich zu schmalen Schlitzen zusammen und betrachteten ihn finster.

„Du hast viel zu tun? Und was ist mit mir?“ stieß sie aufgebracht hervor. Ihre Beklommenheit schlug schlagartig in Verärgerung um und ihr Körper spannte sich über die Wucht dieser Entrüstung  an.

„Ihr beide, Laurie und du, ihr seid wirklich die zwei dickköpfigsten Esel die mir je über den Weg gelaufen sind!“ Jessie stürmte an ihn vorbei und riß Johns Jackett von der Lehne seines Stuhls und warf ihn dabei unter Andys amüsierten Blicken fast um.

„Ich habe es satt! Und du hast keine Ahnung wie satt ich es habe, daß ihr beide mich immer wieder wegschickt!“ Sie stürmte mit dem Jackett in der Hand wieder zu John zurück. Blieb kurz bei ihm stehen und pikte ihn mit dem Zeigefinger schmerzhaft in die Brust.

„Wir werden reden, mein Freund. Und zwar jetzt! Also beweg deinen Arsch und komm!“ Sie drehte sich auf dem Absatz ihrer Sneakers um und stürmte, verfolgt von den verblüfften Gesichtsausdrücken von Kollegen und Zivilisten, zur Tür.

„Wenn du jetzt nicht kommst“, fauchte sie an der Tür, ohne sich zu ihm umzudrehen, „dann werfe ich dein Jackett in die nächste Altkleidersammlung und versteigere dein Handy bei Ebay – samt Sim Karte!“

Weg war sie und hinterließ nur einen Raum, wo das Schweigen anhielt und alle Blicke sich erstaunt auf John richteten. Alle schauten sie. Sogar Fancy, der bei der Lautstärke von Jessies Stimme aus seinem Büro gekommen war und die kleine Szene verfolgt hatte, sah nun John an, der lächelnd Lauries kleinen, temperamentvollen Freundin hinterher guckte.

Gemächlich schlenderte er zu seinem Schreibtisch zurück und zog die Schublade auf, in der er vor noch nicht allzu langer Zeit sein Handy deponiert hatte.

„Du hattest Recht, Andy“, stimmte er seinem Partner lächelnd zu einer Feststellung zu, welcher dieser vor vielen Jahren einmal gemacht hatte. „Laurie und sie sind Zwillinge, die bei ihrer Geburt getrennt worden sind. Ich wünschte nur, daß Jessie bei Eltern aufgewachsen wäre, die mehr wert auf die Ausdrucksweise legen!“ Grinsend sah er in das lächelnde Gesicht seines Partners, während er in Seelenruhe das Handy in seiner Hosentasche verstaute. „Ich denke mal, daß ich in einer Stunde wieder da bin.“

Genauso langsam, wie er schon zum Schreibtisch gegangen war, verließ er nun den noch immer stillen Raum. Er hatte keine Eile. Diese Wutausbrüche kannte er schon von Laurie. Und von ihr wußte er auch, daß es immer besser war ein wenig Zeit vergehen zu lassen, bevor man sich in die Höhle des Löwens begab. Ein entschuldigendes Lächeln zu dem vorwurfsvollen Blick seines Chefs und dann war er auch schon weg.

Noch ein paar verwunderte Blicke wurden in der Etage getauscht und ein wissendes Lächeln umspielte das Lächeln von so einigen Mitarbeitern, doch dann füllte sich das Zimmer wieder mit einer Geräuschkulisse, welche von Arbeit sprach.

In dem Bistro wartete Jessie fast eine viertel Stunde lang auf John, bis dieser endlich kam. Noch immer waren ihre Lippen zu einem schmalen Strich zusammen gepreßt und noch immer funkelten ihre Augen wütend, als er sich mit einem leichten Lächeln zu ihr an den Tisch setzte.

„Schön, daß du auch endlich kommst!“, fauchte sie zur Begrüßung und klopfte ungeduldig mit dem Fuß auf den Boden.

„Ich wäre schneller hier gewesen, wenn du gesagt hättest wo du hingehst.“ John lehnte sich bequem in seinen Stuhl zurück und betrachtete Jessie, wie sie wütend die Arme vor der Brust kreuzte. Sein Jackett hat sie vor sich auf dem Schoß liegen. Jessie musterte ihn ihrerseits über den Tisch hinweg. Er war eindeutig amüsiert, dachte sie und eine gewisse Schadenfreude erfüllte sie bei den Gedanken, daß sie ihm das verdammte Lächeln gleich aus dem Gesicht wischen würde. Sie hatte es so satt! Diese beiden sturen, bockigen Idioten!

 „Also Jessie, was willst du?“ Doch John erwartete nicht sogleich eine Antwort von ihr, sondern wandte sich statt dessen zu der Kellnerin, welche gerade an seinen Tisch getreten war. „Ich hätte gerne einen Kaffee. Und für die Dame nehmen wir ein Mineralwasser. Oder hättest Du gerne was Hochprozentiges um dich wieder zu beruhigen?“ Mit einen süffisanten Lächeln wandte sich John von der jungen Frau zu Jessie und erntete für den Spruch nichts anderes als Nichtachtung von ihr.

„Ein Wasser bitte“, sagte Jessie zu dem Mädel in ihrer Uniform. Und bringen sie mir bitte noch einen Kaffee dazu.“ Johns hochgezogene Augenbrauen zu dem Koffein ignorierte sie.

 „Bitte!“, setzte sie statt dessen noch hinzu und versuchte sich an einem Lächeln, das jedoch zum größten Teil mißglückte. Sie war einfach zu wütend. Aber Jessie begrüßte die Wut, die John so unbewußt in ihr geschürt hatte – sie würde ihr das Geständnis leichter machen.

„Wie sieht’s aus? Bekomme ich mein Jackett zurück?“ John zwinkerte Jessie an, lehnte sich über den Tisch und sah auf die blaue Jacke in ihrem Schoß. „Es ist noch nicht so warm, als das ich ohne herum laufen könnte!“

„Nein.“ Kurz und bündig schmetterte Jessie die Bitte zurück. „Erst reden wir, dann kannst du dein Jackett wieder haben!“

„Ok, und über was?“

„Über Laurie natürlich. Was hast du denn gedacht, du neunmal kluges A…“, im letzten Moment hielt sich Jessie mit dem Rest des Wortes zurück. John jetzt schon zu beleidigen, erschien ihr im Augenblick noch nicht sehr sinnvoll. Aber hinterher. Wenn er sich trotz ihrer Beichte stur stellte mit Laurie zu reden. Dann würde sie ihm jede verbale Ausfälligkeit an den Kopf werfen, die ihr Wortschatz hergab.

„Guter Anfang, Jessie“, grinste John abfällig. Von keinem anderen hätte er so einen Satz über sich ergehen lassen, doch er kannte Jessie schon zu lange und zu gut, um zu wissen, daß es nur die aufgestauten Emotionen waren, die sie so ausfällig werden ließ. Trotzdem ein wenig Sarkasmus schadete ihr nicht.

„Und über was willst du genau reden? Danke!“ Die Kellnerin war an ihrem Tisch zurück gekehrt und hatte zuerst vor Jessie das Wasser und den Kaffee abgestellt und dann vor John. Er griff nach der Zuckerdose und fügte dem Kaffee noch zwei Löffel Zucker hinzu. „Also“, wiederholte er, „worum geht es?“

„Warum hast du den Brief nicht gelesen, den Laurie dir gegeben hat?“ Jessie schaute nicht einmal auf das Kännchen Milch in ihrer Hand mit dem sie gerade den Hauch eines Tropfen Milch in ihren Kaffee schüttete. „Warum hast du ihn sofort weggeschmissen?“ Im Gegensatz zu Jessies inzwischen scheinbarer Ruhe, verschluckte sich John fast an seinem Kaffee. Fluchend hielt er sich die verbrannten Lippen und starrte in die kühlen, blauen, Augen von Lauries Freundin.

„Den Brief?“ Er hatte ja mit vielen Möglichkeiten gerechnet, wie Jessie dieses Gespräch beginnen würde, aber ganz bestimmt nicht mit dem Brief. „Den Brief, den Sylvia mir gegeben hat?“

„Ich weiß nicht, ob Sylvia dir den Brief gegeben hat“, schnalzte Jessie ungeduldig mit der Zunge. „Ich weiß nur, daß du von Laurie einen Brief erhalten hast, den du – ohne ihn zu lesen – gleich in den Müll geworfen hast. Also. Warum hast du ihn nicht gelesen?“

John nahm einen weiteren Versuch einen Schluck von seinem Kaffee zu trinken. Und er ließ sich Zeit mit seiner Antwort. Denn was immer er auch zu dem Thema Mika zu sagen hatte, würde Jessie nicht gefallen.

„Das geht dich nichts an, Jessie. Das ist eine Sache zwischen Laurie und mir!“

Jessies Augen blitzen verdächtig auf, als er ihr diese Antwort gab. „Es geht mich nichts an?“, wiederholte sie ungläubig. Ihre Stimme wurde lauter.

„Du wagst es mir zu sagen, daß es mich nichts angeht! Mir, die schon seit Ewigkeiten mit Laurie befreundet ist, die alles mitbekommen hat, was je zwischen euch vorgefallen ist? Diejenige, die sie tröstend in den Arm genommen hat, als Aimee gestorben und du nicht fähig warst ihr in die Augen zu schauen! Mir, die ihr Mut zugeredet hat, als sie dich das erste Mal mit Mika gesehen hat?“

Jessie lehnte sich so weit über den kleinen Tisch, daß er unter ihrem Gewicht John fast an die Brust rutschte. „Diejenige, die sie getröstet hat, als sie feststellen mußte, daß du sie angelogen hast! Das du bei allen ihren Tanzvorführen warst!“ Jessie brüllte nun fast. Vergessen war, daß sie eine Beichte ablegen wollte. Vergessen war, wieviel Angst sie eigentlich vor diesem Gespräch gehabt hatte. John sagte ihr, daß sie das alles nichts anging? „Ich werde dir mal was sagen, mein lieber Freund!“ Jessie schubste die Speisekarte quer über den Tisch in Johns Schoß, wo er sie gerade noch vor einem weiteren Flug auf den Boden bewahren konnte.

 „Es geht mich was an! Und weißt du auch warum? Weil ich ihre Freundin bin!“

Schweratmend ließ sich Jessie wieder in ihrem Stuhl zurückfallen. Ihr Gesicht leuchtete nun in einem dunklen Rot Ton, der das Blau ihrer Augen strahlend hervor hob.

 „Es geht mich alles an“, flüsterte sie leise ein weiteres Mal, und sprang dann von dem Überschwang ihrer Gefühle getrieben abrupt von ihrem Stuhl auf. „Du bleibst hier“, ordnete sie mit beißender Stimme an. „Ich will mich nur abreagieren gehen, ansonsten wird das hier kein vernünftiges Gespräch mehr werden. Und wir werden reden!“

 

 

 

 

 

 

 

 





Re: Another year has gone by

Klasse....Klasse...Klasse!!!!!! Wie cool ist das denn jetzt? Himmel Jessie ist aber in Fahrt und auch sehr verständlich diese Reaktion. Das hätte ich beileibe sein können, wah, ich glaube ich hätte ihn schon vorher fast ermordet, wenn er mich da solange warten lassen würde!

Super geschrieben Chyio, man kann die Emotionen förmlich aus der Luft greifen! Bitte spann mich nicht allzulange auf die Folter...ich will wissen wie das weiter geht!

LG Flymoon






Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

..........und ich dachte, ich bin nach der Pause ein wenig pünktlicher L

@Flymoon: Ich glaube auch, daß John nicht weit entfernt von einem Mord stand. So wie Jessie in Fahrt war! Wie gut, daß sie jetzt mit Peter zusammen ist, der hatte bestimmt einen beruhigenden Eindruck auf sie. Bei der alten Jessie wüßte ich nicht zu sagen wie sie reagiert hätte!

Und hier bekommst Du auch noch den Rest des Kapitels 

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Wie war das mir Mika – 2

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Mit riesigen Schritten stampfte sie durch das Bistro, blieb kurz an der Bar stehen und wandte sich dann an ihre Kellnerin, welche mit einer Zigarette in der Hand in der hintersten Ecke an dem Tresen gelehnt stand. Hastig legte sie die in dem Aschenbecher zu ihrer Seite ab und kam zu Jessie hinüber.

„Rauchen sie ruhig weiter“, beruhigte Jessie sie sogleich und schaffte es sogar, daß ihre Stimme einen freundlichen Ton annahm und nicht nur ihre Worte ausdrückten was sie dachte.

„Ich möchte nur gerne einen Wodka bestellen. Kalt, aber ohne Eis und ohne Orangensaft!“

Verunsichert nickte die junge Frau und warf einen schnellen Blick in Johns Richtung, der wirklich noch da saß, wo Jessie ihn zurückgelassen hatte. Jessie folgte ihrem Blick und sein kühler blauer traf ihren eiskalten.

„Er hat es verdient“, murmelte sie zu der jungen Frau, denn es war für Jessie unübersehbar woran sie gerade dachte.

„Bringen sie ihn ruhig zum Tisch, ich bin gleich wieder da.“ Mit einem letzten Lächeln drehte sich Jessie von der Bar weg und verließ das Bistro.

Doch sie ging nicht weit. Nur auf und ab. Vor dem Laden. Den Tisch an dem John saß nicht aus den Augen lassend.

 

„Geht mich nichts an“, murmelte sie vor sich hin und merkte wie die Hitzewallungen bei diesen Worten wieder in ihr zurück kehrten.

„Der Mann hat Nerven!“ Sie schüttelte den Kopf und sah durch das große Fenster zu John hin. Er schob den Tisch, den Jessie vor Wut auf ihn zugeschoben hatte wieder an seinen Platz und saß dann still.

„Ich hoffe du denkst jetzt über meine Worte nach, mein lieber John. Denn wenn du es nicht tust, dann schwöre ich dir, daß dies nicht mein letzter Wutausbruch für heute gewesen ist.“

 Auf und ab trugen Jessie ihre Füße. Mal schneller, mal langsamer. Je nachdem in welcher Phase ihrer Wut sie sich gerade befand. Erst als sie drei Mal mit langsamen Schritten an dem Laden vorbei gegangen war hatte sie das Gefühl, daß sie sich wieder genügend unter Kontrolle hatte, um wieder zu John zurückkehren zu können. Sie lächelte ihre Bedienung beim Betreten des Ladens freundlich, ging dann aber zielstrebig zu ihrem Tisch wo John noch immer auf sie wartete.

Trotz ihres Wutausbruches, lächelte er sie an, als sie sich setzte. Sagte jedoch kein Wort, sondern deutete nur stumm auf das neue Glas an ihrem Platz.

„Sag jetzt nichts wegen der Uhrzeit“, warnte sie ihn mit blitzenden Augen bevor sie die klare Flüssigkeit mit einem einzigen Schluck hinunter kippte.

Sie wußte selbst, daß es viel zu früh für dieses harte Getränk war, doch sie hatte Angst, daß sie es sonst nicht schaffen würde, ihre Emotionen unter Kontrolle zu halten. Diese ganze Laurie John Geschichte machte ihr immer mehr zu schaffen und mittlerweile wünschte sie sich nichts mehr, als das dieser Streit endlich ein Ende hatte. Den Streit, den sie vor den Zaun gebrochen hatte. Jessie hatte es trotz ihrer Wut nicht vergessen. Doch sie hatte auch nicht vergessen, daß sie nur den Anstoß dazu gegeben hatte, John und Laurie aber für den Kleinkrieg gesorgt hatten, der daraus entstanden war.

„Können wir jetzt endlich reden?“ fragte sie und musterte John aufmerksam über den Tisch hinweg. Er lächelte noch immer. „Ich bin noch hier, also denke ich mal schon, daß wir das können.“

„Soweit ich mich erinnere, wolltest du vor einer halben Stunde noch nicht mit mir reden!“ Trotz der vielen Schritte und des Wodkas, klang ihre Stimme noch immer angriffslustig. „Vor einer halben Stunde hast du mich nicht ausreden lassen, Jessie“, entgegnete John mild und stützte sich mit den Ellenbogen auf den Tisch auf. „Denn wenn du es getan hättest, dann hättest du gewußt, daß ich damit nur bis zu meiner Mittagspause warten wollte. Aber ich bin noch hier, obwohl ich keine habe.“

„Du bist nur hier, wie du dich nicht an mir vorbei getraut hast, als ich vor dem Laden auf und ab gelaufen bin!“, konterte sie wie aus der Pistole geschossen. Und zauberte mit diesen Worten das erste freie Lächeln auf ihrer beiden Gesichter.

„Ach John“, seufzte Jessie schließlich nachdem sie die erste Hürde eines normalen Gespräches genommen hatten.

„Warum hast du bloß nicht Lauries Brief gelesen!“ Über den Rand seiner Kaffeetasse sah John sie nachdenklich an.

„Ich war wütend. Und ich war verletzt. Komm schon, Jessie, gerade du müßtest doch wissen, daß man da zu Kurzschlußreaktionen neigt.“ Er stellte die Tasse wieder vor sich auf den Tisch.

„Hast du den Brief vielleicht später wieder aus dem Müll geholt und ihn dann gelesen?“

Eine hoffnungslose Frage, die Jessie aber trotzdem stellen mußte, wenn sie heraus finden wollte, wieviel sie heute erzählen mußte. Aber es war auch eine Frage, von der sie wußte, daß John sie mit einem nein beantworten würde.

„Nein.“

„Hast du nie überlegt, was sie hineingeschrieben haben könnte?“

„Nein.“ Das war nun nicht ganz wahr. Seid die erste Wut auf Laurie verraucht war, hatte er sehr oft darüber nachgedacht, was der dicke Umschlag enthalten hatte. Doch die Wut war erst nach einer Woche wieder halbwegs unter Kontrolle gewesen und da war der Müll aus dem Revier schon längst auf der Deponie gelandet.

„Bist du nie auf den Gedanken gekommen, daß Laurie Gründe für ihr Handeln gehabt haben könnte?“ Lauernd sah Jessie ihn über den Tisch hinweg direkt in die Augen. Nun, es wären seine Augen gewesen, wenn John nicht seinen Kaffeebecher beobachtet hätte. So aber sah sie nur seine Lider – und die Augen die sich darunter bewegten.

„Ich meine, du kennst Laurie schon fast dein ganzes Leben, hat sie jemals ohne Sinn und Verstand gehandelt?“

Das war jetzt keine gute Frage gewesen, fiel Jessie im selben Moment auf, da die Worte über ihre Lippen gekommen waren. Laurie in Wut, dachte selten nach.

„Ich rede jetzt nicht davon, wie sie reagiert hat, wenn sie wütend war“, fügte Jessie deswegen noch schnell hinzu. „Ich rede vom Normalfall.“ Das spöttische Lächeln, das sich bei Jessies Frage um seine Mundwinkel gelegt hatte, verschwand in Nachdenklichkeit.

„Nein“, gab er endlich zu und sah von der Tasse in der Hand zu Jessie hoch. „Hat sie nicht.“

„Genau“, bekräftigte Jessie und atmete erleichtert aus. Die erste Hürde war mit diesem Zugeständnis von John genommen.

„Hat sie nicht. Und sie hat es auch diesmal nicht getan. Sie ist zu Mika gegangen, weil...“

Tief sog Jessie die Luft in die Lungen ein und wappnete sich für das was sie als nächstes sagen mußte. Aber das war gar nicht so einfach. Etwas in Wut zu sagen, das war leicht. Doch wenn John ihr so ruhig gegenüber saß und sie mit diesem stechenden Blick aus seinen blauen Augen betrachtete...dann war das alles andere als leicht.

„Sieh mal John“, versuchte sie sich mit einem neuen Anfang und spielte verlegen mit dem leeren Wodka Glas. „Laurie war sehr unglücklich, als sie dich mit Mika bei ihren Weihnachtseinkäufen gesehen hatte. Und als wir bei ihr zum Adventstee waren, und sie davon erzählt hatte, waren wir alle von ihrer Niedergeschlagenheit sehr betroffen.“ Sie schwieg kurz.

„Jessie?!“

„Es war eine dumme Idee, die wir da hatten.“ Ein schiefes Lächeln huschte über Jessies Gesicht, als sie den Blick wieder zu John hob. „Wir...wir...“ Komm schon Jessie, sag es, forderte sie sich selbst auf. John lehnte schon jetzt so weit über den Tisch, daß er mit seinen Armen schon fast an ihr Glas stieß.

„Wir wollten nur herausfinden wie die Frau aussieht, mit der du dich triffst!“, rechtfertige sie halbherzig ihr Handeln. „Also kamen wir auf den Gedanken, dich zu beobachten, um sie zu Gesicht zu bekommen.“

Es war heraus und John rutschte verblüfft wieder auf seine Seite des Tisches zurück

„Wie bitte?“ Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen. „Ihr habt was getan?“

„Schau mich nicht so an, John. Ich weiß das war dumm. Aber sie ist meine Freundin und ich habe mir große Sorgen um sie gemacht!“ Unruhig rutschte Jessie auf ihrem Stuhl herum.

„Du kannst mir glauben, daß Laurie mir dafür schon die Leviten gelesen hat!“

Und wie sie das hatte. Jessie erinnerte sich an dieses Küchengespräch wo Laurie vor Wut an die Decke gegangen war nur zu gut. Trotzig sah sie von ihrem leeren Glas zu John hoch. Wie die Ruhe selbst hatte er sich in seinem Stuhl zurück gelehnt und betrachtete Jessie nun über den Tisch hinweg, die Arme zur Abwehr vor der Brust verschränkt und mit einem Blick, der Jessie sehr an einem Eisblock in der Antarktis erinnerte.

„Weiter“, forderte er sie kühl auf.

Doch Jessie brachte die nächsten Worte nicht gleich über die Lippen. Der Trotz verschwand aus ihren Augen und statt dessen kehrte das Mitleid in ihm ein, daß sich schon in dem Augenblick in ihr ausgebreitete hatte, als ihre Ungläubigkeit verflogen war.

„Wir haben Fotos, daß Mika einen anderen Mann geküßt hat“, gestand sie schließlich leise.

„Keine zwei Minuten, nachdem du sie verlassen hast. Deswegen ist Laurie zu Mika gegangen und hat sie aufgefordert dich zu verlassen. Sie wollte nicht, daß sie dir noch mehr weh tut. Und sie wollte nicht, daß du überhaupt erfährst, daß sie dir überhaupt weh getan hat.“

Traurig waren ihre Augen auf John geheftet, welcher bei ihren Worten weiß wie eine Wand geworden war. Was machte es schon aus, daß es nicht ganz die Wahrheit war, wenn sie es so trotzdem schaffte, daß er Laurie verzieh? Mußte sie wirklich alles erzählen und ihn damit noch mehr verletzten?

„Es tut mir leid, John.“ Jessie flüsterte fast.

Johns Blick lag auf ihren Lippen. Stumm schaute er zu wie sie sich bewegten, ohne zu hören was sie sagten. Manchmal sah er die Spitze ihrer Zähne zwischen ihnen hervor scheinen, dann wieder verschwanden sie. Er suchte wieder ihre Augen und er vergewisserte sich, daß es die Wahrheit war von der Jessie sprach. Sie war es. Ihre Augen waren so voller Mitleid, daß es nur die Wahrheit sein konnte. Mika hatte ihn betrogen und Laurie hatte ihn beschützen wollen! Laurie hatte ihn beschützen wollen....

Er blinzelte. Zweimal. Und  das Leben kehrte in seine Augen und in seinen Körper wieder zurück. „Kann ich sie sehen, die Bilder?“ John beugte sich über den Tisch Jessie entgegen, mußte aber mit ansehen, wie sie den Kopf schüttelte. „Nein, leider nicht.“ Bedauernd hob sie die Schultern. „Ich habe sie Laurie gegeben.“ Johns Schultern sanken mutlos nach unten, während er sich auf seinem Stuhl wieder zurück fallen ließ.

„Du mußt mich verstehen, John. Ich konnte doch schlecht zu dir laufen und sagen, daß ich dich und deine Freundin beobachtet habe. Du hättest mir den Kopf abgerissen, bevor ich dir die Bilder auch nur hätte zeigen können. Also habe ich sie Laurie gegeben und habe sie gefragt was ich damit machen soll.“

Zusammen mit der Rest der Mappe, die ein wenig aus Mikas Leben erzählte.

„Und Laurie hat gesagt, daß sie sich darum kümmern wird.“ Jessie nahm ein Schluck aus ihrem Wasserglas, um die Trockenheit in ihrer Kehle wieder zu vertreiben.

Es war noch nicht vorbei. Drei Dinge galt es noch zu klären, bevor sie das Cafè und damit John verlassen konnte. Zum einen mußte sie wissen, ob John ihr ihre Geschichte glaubte. Und was noch weit aus wichtiger war, war die Tatsache, daß er Laurie auf keinen Fall erzählen durfte, daß sie mit ihm geredet hatte. Wenn das raus kam, dann würde sie in Teufels Küche landen. Nicht nur dafür das sie ihr Versprechen gebrochen hatte, sondern auch, weil sie ein wenig von der Wahrheit weggelassen und den Rest ein geringfügig verdreht hatte.

„John, du glaubst mir doch, oder? Ich schwöre dir, daß das die Wahrheit ist. Du kannst gerne Maxime oder Phoebe fragen, sie werden dir meine Geschichte bestätigen.“

Nachdem sie sich mit ihnen darüber unterhalten hatte, daß sie auf keinen Fall etwas von der weiteren Überwachung erzählen sollten. Weit lehnte sich Jessie über den Tisch. Weit genug, um John zu zeigen, wie ernst es ihr war. Weit genug, damit er sehen konnte wieviel ihr daran lag, daß er ihr glaubte.

„Sag mir, daß du mir glaubst“, forderte sie.

„Ich glaube dir“, bestätigte John ihr leise. Müde strichen seine Hände übers Gesicht und rieben die Taubheit von ihm fort. Was für ein Tag. Erst der Beginn mit Andy und die Erinnerung an Aimee, und dann auch noch Jessie mit ihrem Geständnis.

Aber was Jessie erzählte füllte die Lücken, von Mikas plötzlichen verschwinden. Von denen sie Stunden später wieder aufgetaucht war, mit einem Lächeln, daß ihn an eine Katze erinnerte welche von der verbotenen Sahne genascht hatte.

„Ich glaube dir“, wiederholte er müde. Manche Dinge wollte man einfach nicht wissen. 

„Und jetzt?“ brach Jessie schließlich das Schweigen zwischen ihnen. „Wirst du jetzt, wo du weißt weswegen sie bei Mika war, wieder mit ihr reden?“ John sah von dem Becher in seiner Hand hoch und sah Jessie lange an, bevor er den Mund öffnete.

„Warum erzählst du es mir jetzt, Jessie?“ Müde klang die Frage aus seinem Mund, mit der er ihre Frage umging.

„Warum nicht schon, als du von Laurie gehört hast, daß wir uns deswegen gestritten haben?“

„Weil sie so wütend auf mich war, daß wir dich beobachtet hatten.“ Wieder eine kleine Lüge, der sich der ersten anschloß.

Und eine Antwort, die in John die Skepsis zurückbrachte. Mit zusammen gekniffenen Augen lehnte er sich mit beiden Ellenbogen auf dem Tisch auf und sah Jessie mißtrauisch an.

„Das hat dich doch bisher nicht gestört! Soweit ich mich erinnere hat sie doch von dir immer kontra bekommen. Warum diesmal nicht?“

Oh oh, das war jetzt nicht gut. „Oh, ich habe ihr die Meinung gesagt, daß kannst du mir glauben. Es kam sogar ein Nachbar und hat sich über die Lautstärke beschwert. Aber....“

 Verdammt und was sollte sie jetzt sagen, ohne das sie erzählte weswegen sie sich wirklich das Streiten bekommen hatten?

John lehnte schon wieder so weit über den Tisch, daß er nur die Hand auszustrecken brauchte um ihr Handgelenk zu packen und sie zu einer Antwort zu zwingen. Aber das würde er doch nicht tun, oder?

Schnell versteckte Jessie ihre Hände unter dem Tisch. Wenn er doch nur nicht diesen Blick drauf hätte. Wer sollte denn dabei noch einen klaren Gedanken fassen? Fieberhaft durchforstete Jessie ihr Gedächtnis nach dem Gespräch mit Laurie in dem Teehaus. Was hatte Mika John erzählt, weswegen Laurie bei ihr gewesen war?

„John mach die Augen zu“, forderte sie ihn unwirsch auf. „Ich kann mich nicht erinnern was ich sagen wollte, wenn du mich so anschaust!“ „Vielleicht möchte ich ja gar nicht, daß du dich erinnern mußt“, grinste John boshaft. „Vielleicht möchte ich ja, daß du den Satz zu einem spontanen Ende bringst.“

Eifersucht! schoß es Jessie durch den Kopf. Laurie hatte ihr erzählt, daß Mika gesagt hatte, daß sie sie aus Eifersucht wegschicken wollte! Damit ließ sich doch was anfangen!

„Ich darf darüber nicht reden. Tut mir Leid, John.“

Scheinbar geknickt sah Jessie in ihre leere Kaffeetasse. Natürlich würde sie darüber reden. Aber zuerst mußte sie John von dem Gedanken abbringen, warum sie nicht gleich mit ihm geredet hatte.

„Was heißt das du kannst nicht mit mir darüber reden?“ Wie Jessie es vorher gesehen hatte, lehnte John sich noch weiter über den Tisch. Gut das sie ihre Hände unter ihm hatte – seine Augen glitzerten schon sehr gefährlich.

„Du kommst zu mir aufs Revier, zu einem Zeitpunkt wo Laurie nicht da ist. Mit voller Absicht. Also gehe ich mal davon aus, daß du gerade dabei bist ein Versprechen zu brechen welches du ihr gegeben hast. Und jetzt willst du mir erzählen, daß du nicht darüber reden kannst!“

„Ja!“

„Jessie?!“

„Ja?“ Noch ein bißchen, nur noch ein ganz kleines bißchen, dann würden seine Ohrenspitzen anfangen zu glühen und dann konnte sie es ihm sagen. Dann war er so auf eine Antwort fixiert, daß er die eigentliche Frage schon wieder vergessen hatte.

Danke Laurie, betete Jessie stumm. Das du mir das mal bei einem Glas Wein erzählt hast. Aufmerksam beobachtete Jessie Johns Ohren. „Warum wollte Laurie nicht, daß du mit mir darüber redest?“

Waren sie nicht schon ein klein wenig rot? Jessie beugte sich ein wenig zur Seite um sie besser betrachten zu können. Ein sehr zartes rosa – aber noch sehr hell. Noch nicht. Aber gleich. Mit Wohlwollen fiel Jessie plötzlich auf, daß die Fragestellung von John schon eine ganz andere war als zuvor. Warum wollte Laurie nicht, daß du mit mir darüber redest?

 „Jessie!“ Jetzt waren sie rot, bemerkte sie zufrieden. Und sie glühten, genauso wie Laurie es ihr in dieser geheimen Stunde erzählt hatte.

Jessie seufzte tief und nahm einen weiteren Schluck aus ihrem Wasserglas. Lange durfte das Gespräch nicht mehr dauern, sie hatte kaum noch welches.

„Versprich mir, daß du es ihr nicht sagen wirst.“ Bittend sah Jessie zu John hoch.

„In Ordnung.“ Viel zu schnell kam seine Antwort, als das Jessie sich darauf verlassen konnte.

„John, ich meine es ernst. Du darfst ihr weder erzählen, daß ich mit dir geredet habe, noch darfst du ihr erzählen was ich dir gesagt habe. Ich bin nie hier gewesen! Versprichst du mir das?“ Sehr ernst schaute Jessie ihn an.

Und John nickte. „Ich verspreche es dir. Ich werde kein Sterbenswort zu ihr sagen.“

„Gut. Und versprichst du mir, daß du auch wieder mit ihr reden wirst?“ „Jessie, übertreib es nicht mit meiner Geduld“, knurrte John. „Sag mir jetzt bitte warum Laurie nicht wollte, daß du mit mir redest.“

Ein letztes Mal vergewisserte sich Jessie das Johns Ohrenspitzen noch rot waren und dann rückte sie endlich mit der Sprache raus.

„Sie war eifersüchtig auf Mika. Furchtbar eifersüchtig“, seufzte Jessie theatralisch und hoffte, daß sie jetzt nicht übertrieb.

„Doch sie hätte sich niemals in deine Beziehung mit ihr eingemischt. Du kennst Laurie, du weißt, daß sie so etwas nicht tut!“

Nachdrücklich sah Jessie in Johns weit geöffneten Augen. „Aber dann habe ich ihr die Fotos von Mika mit diesem Typen gezeigt und sie ist wütend geworden. Den Rest kennst du ja.“

Jessie nahm den letzten Schluck aus ihrem Wasserglas und beobachtete wie John vor sich auf den Tisch schaute. Die Anspannung der letzten Minuten war von ihm gewichen und seine Schultern sanken nun mit dem Kopf ein Stück weit dem Tisch entgegen. Für einen Moment war Jessie versucht ihm durch das Haar zu streichen. So wie ihre Mutter es immer bei ihr getan hatte wenn sie Trost spenden wollte. Aber das war John. Der Mann von Laurie. Sie strich ihm nicht durch den Kopf, doch sie entschloß sich noch ein Stückchen weiter mit der Wahrheit zu gehen.

„John, du weißt was das bedeutet, oder?“ Sie sagte es ganz leise und griff fast zärtlich nach seiner Hand. Behutsam legte sie die ihre drauf und drückte sie sanft. Unter dieser sachten Berührung hob John den Kopf und sah Jessie an. Kummer, Hoffnung...so viele Gefühle spiegelten sich zur gleichen Zeit in ihnen.

„Sie liebt mich noch?“ Ein Hauch, ein Flüstern.

„Das solltest du sie lieber selbst fragen“, lächelte Jessie still.





Re: Another year has gone by

Ohmei....wie ...spannend...theatralisch, aber doch sowas von schön zu lesen! Der Schluß ist so sweet! Sehr sehr schön rübergebracht und ausgeführt, Chyio! Und nun...bin ich aber sowas von gespannt was unser lieber John Kelly tun wird und vorallem die Reaktion von Laurie!!!

LG Flymoon






Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

@Flymoon: Ja, damit weiß jetzt John endlich Bescheid wie das mit Mika war. Irgendwie. Denn Jessie hat sich ja gut bedeckt gehalten bei dem was sie erhält hat. Schauen wir mal, ob es für eine Versöhnung ausreicht.

Hier kommt es nun also endlich – das Osteressen. Natürlich wie immer aufgeteilt auf zwei verschiedene Tage.

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Ein Osteressen

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Wieder war eine Woche vorbei, wieder eine Woche in der der Frühling nun Zeit gehabt hatte, sich zu entfalten. Mit der Mitte des Aprils, war nun endlich auch die Zeit gekommen, wo die Luft von den Sonnenstrahlen erwärmt wurde und die Knospen an den Bäumen anfingen sich zu öffnen. Genau das richtige Wetter für Ostern.

Johns dünner Mantel wehte bei seinem schnellen Schritt hinter ihm her, als er die paar Meter von seinem Auto zu dem Restaurant schritt, in dem er sich mit seinen Kollegen zum Essen treffen wollte. Ostern!

Wie schnell die Zeit doch verging. War nicht letzte Woche erst Weihnachten gewesen? Wie konnte es dann schon wieder Frühling sein?

Ein lauer Windstoß fuhr ihm durchs Haar und bestätigte ihm aber, daß er, bei dem Blick auf seinen Kalender, heute morgen, durchaus die richtige Seite aufgeschlagen hatte. Es war Frühling. Denn mit dem Wind kam nicht nur die Wärme der Sonne mit, sondern auch Gerüche von den ersten Blumen und Blüten. Johns Schritte verlangsamten sich fast automatisch, bis er stehen blieb. Die Augen geschlossen, die ersten Strahlen der Sonne auf seinem Gesicht genießend. Er merkte nicht einmal, wie sich seine Lippen zu einem Lächeln verzogen, merkte nicht einmal wie die Uhr an dem Juweliergeschäft zu seiner Seite mit ihrer Melodie eine neue Stunde verkündete.

Und ihn damit eindeutig klar gemacht hätte, daß er zu spät dran war. So aber ließ er sich von der Sonne verführen und von der Wärme einlullen.

Bis ein Rufen seines Namens ihn wieder zurück in die Wirklichkeit brachte.

„Hey John. Fröhliche Ostern!“ Erschrocken riß John seine Augen wieder auf und sah Kenny auf sich zukommen. „Na genießt du auch die Frühlingsluft?“

John wartete ab, bis sein Kollege aus dem Revier bei ihm angekommen war, bevor er zu einer Antwort ansetzte. „ Hallo Kenny. Ist das nicht ein herrliches Wetter?“ Der Sergeant zu seiner Seite nickte und hielt nun seine Nase ebenfalls in den Wind. „Traumhaft! Mir tut es schon fast ein wenig leid, daß wir drinnen essen werden. Bei dem Wetter bietet es sich doch regelrecht an, ein wenig frische Luft zu schnappen.“

John überlegte, ob er sich das spöttische Grinsen, welches sich so gern auf sein Gesicht stehlen wollte, lieber verkniff. Denn soweit er wußte, mochte Kenny eigentlich jedes Wetter, solange er sich nur in seinem Auto aufhielt. Und das war eigentlich ständig. Noch niemals hatte er gehört, daß er freiwillig ein paar Meter ging, geschweige denn, daß er sich irgendwo hinsetzte, wo er der feien Natur ausgeliefert war.

Es gab da ein schönes Gerücht auf dem Revier, wonach Kenny eine ihrer Kolleginnen zu einem Sparziergang eingeladen hatte, der eigentlich mehr eine Sparzierfahrt war. Und zu einem Essen in einem Restaurant, welches sich dann aber als McDrive herausgestellt hatte. Es sollte seine einzige Verabredung mit ihr gewesen sein.

„Wir sind ganz schön spät dran!“ Kenny warf einen Blick auf die Uhr des Juweliers, die vor nicht allzu langer Zeit probiert hatte, John zur Eile anzutreiben. John folgte seinem Blick und erschrak, als er sah wo die Zeiger standen. Daß er spät dran war, hatte er ohnehin schon gewußt, denn wider erwarten hatte er es geschafft auf einem Sonntag in einen Stau zu geraten. Ausgelöst von einer Baustelle nicht weit von dem Ort wo er wohnte. Dennoch, daß es so spät war, damit hatte er jetzt nicht gerechnet. John sah zurück zu Kenny, und ohne daß sie nur ein Wort darüber verloren, beschleunigten sich ihre Schritte zu dem Lokal an der Ecke der Straße.

Johns erster Eindruck war, daß das wirklich ein sehr kleines Lokal war, wo Sylvia für nunmehr fast vierzig Personen einen Tisch reserviert hatte. Eine Zahl, die Andy trotz der aufmunternden Worte von John, nur mit Verdruß erfüllte. Und welchen Sylvia so gut zu  ignorieren wußte.

Das vor ihm liegende Zimmer - und als mehr wollte es John in seinen Gedanken nicht bezeichnen – bot kaum genügend Platz für eine Handvoll Gäste. Geschweige denn für eine kleine Gesellschaft, wie die ihre. Ein Kellner, aufmerksam geworden durch Johns suchenden und Kennys verwirrten Blick, trat auf sie zu. „Meine Herren, kann ich ihnen behilflich sein?“

John wollte gerade den Mund aufmachen, um nach der kleinen Gesellschaft zu fragen, aber mit den Worten des Kellners, hörte er auch bekanntes Gelächter. Sein Blick huschte ein weiteres Mal durch die Räumlichkeit. Und dort, ganz versteckt in einer Ecke, sah er dann einen Durchgang, halb versteckt von einer riesigen Pflanze. Und von dort kam das Gelächter. Das Restaurant war wohl doch nicht so klein, wie John auf den ersten Blick vermutet hatte.

Freundlich lächelte er den Mann vor sich an.

„Nein, danke. Ich glaube, wir haben gerade unseren Tisch gefunden.“ Abermals lächelte er den Kellner an und wies mit einem Kopfnicken für Kenny in die Richtung der Pflanze. „Dort hinten scheinen sie zu sein.“

Zielstrebig bahnte sich John einen Weg durch den schmalen Gang, vorbei an eng gestellten Tischen und betrat dann den abgegrenzten Raum zu, wo seine Freunde und Kollegen an einer riesigen Tafel saßen.

An einer riesigen Tafel, in einem wirklich winzigen Raum. Dekoriert mit den üblichen Ostersträußen und den fröhlichen Farben des Frühlings in Grün, Orange und Gelb. Das war es was John an Ostern so gerne mochte. Fröhliche Farben, die das Herz schneller hüpfen ließen und einen Vorgeschmack auf den Sommer gaben, der dadurch gar nicht mehr so weit entfernt wirkte.

„Hey John!“ Andy winkte ihm von seinem Platz neben Sylvia aus zu und stand dann aber doch auf, um seinen Freund mit einem Handschlag zu begrüßen. Sichtbare Erleichterung stand ihm ins Gesicht geschrieben, als er auf John zutrat.

„Du bist spät dran!“ John ergriff Andys Hand und drückte sie.

„Ich hing im Stau fest.“

„Auf einem Sonntag?“, fragte Andy erstaunt nach. John grinste über diese Frage, die auch ihn mit Verblüffung erfüllt hatte. „Ja.“ Er drehte sich zu seinen Kollegen zum Tisch hin und klopfte mit den Fingerknöcheln auf die Tischplatte. „Meine Damen, meine Herren.....“ Fröhliche Gesichter wandten sich zu ihm und begrüßten ihn mit einem Lachen, einem Nicken oder der Ausruf seines Namens.

„Na das würde erklären, warum auch Laurie noch nicht da ist“, nahm Andy das Gespräch nach der kurzen Unterbrechung von Johns Begrüßung wieder auf. „Komm, hier bei mir ist noch Platz.“ Es war kein Zufall, daß neben Andy noch ein Platz frei war. Sylvia hatte mit einem spöttischen Lächeln auf dem Gesicht sehr wohl bemerkt, wie er den freien Stuhl, wie eine Mutter ihr Kind, verteidigte. Doch sie hatte sich jeglichen Kommentars verkniffen und ihn machen lassen. Sollte er doch, wenn er sich besser fühlte, daß sein Partner neben ihn saß!

„Laurie!“ Überrascht drehte sich John um, als Andy sich zielstrebig an ihn vorbeischob. Er hatte sie gar nicht gehört, doch sie mußte direkt hinter ihm gewesen sein, als er mit Kenny das Lokal betreten hatte.

„Schön daß du gekommen bist!“, begrüßte Andy sie enthusiastisch und drückte ihr zur Begrüßung einen Kuß auf die Wange. „Hallo Andy.“ Sie lächelte Andy an und John konnte sehen, daß sie eigentlich noch etwas hinzu fügen wollte.  Doch noch bevor sie die nächsten Worte über die Lippen bringen konnte, verschwand sie in Andys Armen. Überrascht und innerhalb kürzester Zeit atemlos, von der Heftigkeit der Umarmung, warf Laurie einen fragenden Blick zu John. Was war denn in Andy gefahren? Sicher, sie hatten ein gutes Verhältnis zueinander, aber eigentlich kein so stürmisches und schon gar nicht, wenn er umgeben von seinen Kollegen war.

„Ich freue mich dich zu sehen!“, wiederholte Andy seine Freude über Lauries Erscheinen. Und wirklich, die Freude über ihr Erscheinen stand ihm nur allzu deutlich ins Gesicht geschrieben. Und Erleichterung.

„Es sind so viele Leute hier“, flüsterte ihr leise ins Ohr, bevor Laurie sich lachend aus seiner Umarmung befreien konnte. „Deswegen nennt man es eine Firmenfeier, Andy“, raunte sie zurück. Und versuchte ihre Hände aus denen von Andy zu lösen. Doch Andy dachte gar nicht daran, sie wieder frei zu geben. Fest hielt er sie umschlungen und strahlte statt dessen Laurie an. „Es ist wirklich schön dich zu sehen!“

„Andy ich glaube dir!“ erwiderte sie lachend und zog vorsichtig an ihren Händen. „Du sagst es inzwischen zum dritten Mal und...“

Und bekam unerwartete Hilfe von John, der diesen Augenblick für mehr als passend empfand, um Laurie die Gelegenheit zu geben, den Raum mit mehr als zwei Schritten zu betreten.

Im Grunde amüsierte er sich köstlich über die Nervosität von Andy, die sich hier nun gerade in einer zu überschwenglichen Begrüßung von Laurie zeigte. Doch wie er es in den letzten Tagen schon sooft gedacht hatte, hatte Andy es nicht anders verdient. All dies wäre nicht passiert, wenn Andy nur ein bißchen mehr zu Sylvia gestanden hätte und nicht so verdammt geheimnisvoll gewesen wäre.

 „Hallo Laurie“, begrüßte er sie, nachdem er zu den beiden getreten war. Zumindest reichten Johns Worte aus, daß Andy Lauries Handy wieder losließ und ihr damit die Gelegenheit gab auch John zu begrüßen. „John.“ Kurz reichten sie sich die Hände und flüchtig lächelten sie sich dabei an. Und dann ging Laurie zur anderen Seite des Tisches, wo noch zwei Plätze frei waren. Einer direkt gegenüber von John, der andere schräg gegenüber, fast am Ende des Tisches. Laurie wählte den weiter entfernten.

Für einen Moment schaute ihr Andy noch nach, während John bereits weiter zu Sylvia ging um sie zu begrüßen. Warum hatte er nur nicht daran gedacht auch einen Platz für Laurie frei zu halten? Und dafür zu sorgen, daß alle anderen schon besetzt waren...

„Hey John.“ Sylvia stand von ihrem Stuhl auf und umarmte John herzlich.

„Fröhliche Ostern, Sylvia“ Die kleine Frau vor ihn, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und hauchte ihn einen Kuß auf die Wange. „Schön. Daß Du endlich da bist. Andy erstickt bereits an seiner Krawatte vor lauter Aufregung.“

Sie warf kichernd einen Blick über Johns Schulter zu ihrem Freund und sah, daß er sich inzwischen mit Jim, einen der Officers, und seine Frau in ein Gespräch vertieft hatte. Immer wieder fuhr seine Hand zum Hals hoch um den Knoten seiner Krawatte zu lösen, doch dieser Knoten war schon längst auf seine Brust gerutscht. Jetzt erinnerte John die Krawatte um Andys Hals mehr an einen langen blauen Strick. Trotzdem hörte Andy nicht auf an ihr herum zu spielen.

„Er hätte die Krawatte weg lassen sollen“, grinste John. „So wie es jetzt aussieht, fehlt ihm nur noch ein Balken an dem er sich aufhängen kann.“ „Es gibt hier keine Balken. Als ich das Lokal ausgesucht habe, war das ein sehr wichtiges Kriterium gewesen.“ Sylvia lachte offen und stieß John dabei verschwörerisch in die Seite.

„Komm, setzt dich. Andy hat dir schon einen Platz frei gehalten.“ Unüberhörbar tropfte der Sarkasmus aus ihren Worten, die sie dennoch mit einem Lächeln begleitete.

„Ja, und daß war auch gut so. Schau dir doch mal an, wie voll es geworden ist. Wer weiß, wo John sonst gesessen hätte.“ Andy war wieder zu ihnen getreten und zeigte mit einer weit ausschweifenden Geste über die voll besetzte Tafel. „Hättest du es gern gewollt, wenn er am anderen Ende gesessen hätte?“ Offensichtlich hatte Andy beschlossen sich nicht mehr von Sylvias Sarkasmus beeindrucken zu lassen und startete nun seinen Gegenangriff, den Sylvia nur mit einem amüsierten Lächeln quittierte. Dicht trat sie an ihn heran, um sich dann abermals auf die Zehenspitzen zu stellen und nun Andy einen Kuß zu geben. Aber nicht auf die Wange, sondern mit ihren weichen Lippen direkt auf den Mund.

 „Nein, flüsterte sie in sein Ohr, „Ich finde es auch schön, daß John bei uns sitzt.“ Andy brummelte nur leise eine Zustimmung, war er doch noch mit seinem Unwohlsein über Sylvias körperliche Annäherung beschäftigt.

„Mach dir das Leben doch nicht selbst so schwer“, sagte sie noch mit gedämpfter Stimme zu ihm, löste sich aber bereits aus seiner Umarmung. „Kein Mensch wird dir hier den Kopf abreißen. Vielleicht werden sie dich ein wenig necken, aber das war’s auch schon.“ „Das reicht auch schon“, knurrte Andy zurück. Dennoch ergab er sich in sein offensichtliches Schicksal und nahm seine Freundin wieder in den Arm.

„Hallo John! Schön das du auch schon da bist!“ John ging auf die neckenden Worte seines zukünftigen Tischnachbarn gar nicht ein. Statt dessen klopfte er ihm amüsiert auf die Schulter. „Tu doch nicht so, Jim. Wie ich dich kenne, bist du auch gerade erst angekommen.“

Die blonde Frau zu seiner Seite lachte auf und warf einen ironischen Seitenblick auf ihren Mann, mit dem sie erst wenige Minuten vor John das Lokal betreten hatte. „Erwischt, würde ich mal sagen.“ Und wie auch Andy schon zuvor bei Sylvia, so brummelte Jim ebenfalls vor sich hin. Jedoch ging dieses Brummeln schnell in ein Lachen über. „Ok, ich gebe es zu. Wir sind auch erst seit fünf Minuten hier.“ Jim schenkte der Frau zu seiner Seite ein Augenzwinkern und wandte sich dann wieder zu John herum, der gerade damit beschäftigt war, sein Jackett auszuziehen.

„John, darf ich dir meine bessere Hälfte vorstellen?“ Sein Arm legte sich um die Schultern der hübschen Blonden, während er fortfuhr. „Das ist meine Frau Suzie.“ Suzie streckte John grinsend die Hand entgegen, welche er auch sofort ergriff.

„Hallo Suzie. Schön sie kennenzulernen.“

„Gleichfalls.“ Und gleich darauf setzte sie noch hinzu: „Kann es sein, daß der Mann zu ihrer Seite etwas nervös ist?“ John mußte sich nicht einmal umdrehen, um zu wissen, von wem Jims Frau sprach. „Ein bißchen. Aber ich hoffe, daß sich das blad legen wird. Geben sie ihm noch eine Stunde, dann hat er sich mit der Situation abgefunden.“ Fragend zog Suzie die Augenbrauen hoch und schaute von John zu ihrem Mann und dann wieder zu John. Doch keine der beiden Männer machte Anstalten sie aufzuklären. Statt dessen grienten sie sich nur wissend an.

John löste sich von den beiden, drehte sich zu seinem Stuhl um, der zwischen Jim und Andy lag und hängte sein Jackett über die Stuhllehne. Eine so alltägliche Handlung für ihn, daß er nicht mal einen Gedanken daran verschwendete. Er wollte sich gerade setzten, als sein Blick auf Laurie fiel, welche bereits zwischen Kimberly und Jonathan Platz genommen hatte. Reglos verhielt er in seiner Position und beobachte sie. Fast zärtlich strichen ihre Finger über den seidigen Glanz der hellgrünen Tischdecke vor ihr. Einen bewundernden Ausdruck in Ihrem Gesicht, ganz versunken in ihrer eigenen Welt der Tischdecken. Als ob sie Johns Blick auf sich spürte, schaute sie hoch, direkt in seine Augen. Er sah, wie sie unter seinem Lächeln errötete, die Augen senkte und sofort die Hand wieder von der Decke nahm. Und dann, nur ganz langsam, hob sie noch einmal den Blick  und lächelte schüchtern zurück, bevor sie sich zu Kimberly umwandte und mit ihr ein Gespräch begann.

Entgegen Andys Erwartungen, wurde es doch ein sehr schöner Tag. Was letztendlich auch damit zu tun hatte, daß er selbst dafür sorgte und ins kalte Wasser sprang.

Irgendwo zwischen Vor- und Hauptspeise, zwischen angeregten Gesprächen und Lachen, faßte er sich ein Herz und stand auf. Ein leises, melodisches Klingen versuchte sich in die Lautstärke der Anwesenden zu mischen….und hatte wider erwarten Erfolg damit. Sofort  verstummten die Gespräche am Tisch und aller Augen richteten sich voller Aufmerksamkeit auf den untersetzten Mann. Andys Hand fuhr ein weiteres Mal zu seiner Krawatte hoch, welche ihm inzwischen aber nur noch als lose Stoffbahn um den Hals hing. Also öffnete er sein Hemd um einen weiteren Knopf. Doch die Atemnot verging trotz des geöffneten Knopfes nicht.

Stille senkte sich, unter den erwartungsvollen Blicken der Anwesenden, über den Raum.

„Also….ähm…“ Andy räusperte sich in die Stille, um seine Stimme einen festeren Klang zu geben. „Also, ich wollte hier mal was klar stellen. Ich liebe Sylvia und ich bin auch schon seit einem Jahr mit ihr zusammen!“

Hastig sprudelten die Worte über seine Lippen und purzelten fast durcheinander, dennoch war für jeden hier am Tisch gut erkennbar, was Andy ihnen sagen wollte. Vereinzeltes Gekicher entstand an den verschiedensten Stellen am Tisch. Doch bevor jemand die Chance bekam sich zu diesen äußerst knappen Worten zu äußern, ließ sich Andy mit wahrlich mangelnder Anmut wieder auf seinen Stuhl fallen und versteckte sein, inzwischen hochrotes Gesicht, in seinem Wasserglas.

Nun kam auch das erste Gemurmel über Andys Geständnis auf, von dem die meisten hier am Tisch sowieso schon gewußt hatten. Und wenn Andy nur einmal genauer hingehört hätte, dann wäre ihm aufgefallen, daß es kein abwertendes war, sondern ein zustimmendes über seinen plötzlichen Mut. Andy jedoch hatte kein Ohr dafür, denn Sylvia hatte nach seiner Hand gegriffen. Fest drückte sie sie und als Andy zu ihr schaute, sah er wie ihre Augen feucht glänzten.

„Danke!“, flüsterte sie ihn lautlos zu und drückte seine Hand ein weiteres Mal. Andy jedoch, platze fast vor Stolz über seine endlich ausgesprochenen Worte. Dicht lehnte er sich zu Sylvia hinüber und küßte ihre leicht zitternden Lippen. „Das war das mindeste was ich als Entschuldigung tun konnte“, murmelte er dicht an ihrem Mund.

Re: Another year has gone by

Bounce....na jetzt aber! Hut ab vor Andy! Der nette Knuffel ist endlich über seinen Schatten gehüpft und steht zu Sylvia! Süß! Und John und Laurie......Spannung.....Trommelwirbel.....da werden sich schüchterne Blicke zugeworfen?? Hmmm, schön! Ich hoffe das gegenseitige Gespräch fällt auch so aus!! 

LG Flymoon






Danke Mel!!!

"Fort sind all die schönen Stunden, mit meinem verschwund'nen Schatz verschwunden, denn ein tödlicher Schatten fiel...."
--Horatio Alger--

Re: Another year has gone by

So, jetzt ist es also soweit....das heiss ersehnte/erwartete Osteressen.

Schön, wie Andy nun doch noch seine gefürchtete Rede mit allem drum und dran hinter sich bringt. Ich seh ihn vor mir, wie er sich ständig mit dem Taschentuch die Stirn abwischt. *gg* Hochnervös, schwitzend.....:-)

Meine Meinung kennst Du ja....ich wollte dir nur noch mal eine klitzekleine Review dalassen, weil ich der Meinung war, dass gerade das Osteressen-Kapitel wohl eines der typischsten chyio-Kapitel ist, weil hier wirklich viel Herz drinsteckt und vor allen Dingen Deine unnachahmliche Liebe zum Detail. :-)

LG

Re: Another year has gone by

Irgendwie läuft bei mir alles drunter und drüber. Sorry für alle die regelmäßig lesen, daß es erst jetzt weiter geht.

@Flymoon: Tja, wenn Andy muß dann kann er durchaus. Wenn ich da an den Heiratsantrag denke, den er Sylvia in der zweiten Staffel gemacht hat! Ich dachte ich fall vom Stuhl vor Lachen. So nervös, so unbeholfen und dann straight durch die Mitte. Genau so habe ich ihn mir beim Osteressen vorgestellt. Allerdings kannte ich da die Folge aus der zweiten Staffel noch nicht. Und wie es mit John und Laurie weiter geht, daß wirst Du gleich sehen.

@Eve: ich weiß jetzt nicht, ob Dein Spruch mit der Liebe zum Detail jetzt positiv gemeint war oder nicht. Wenn ich mich recht erinnere, dann hast Du mich eher darauf hin gewiesen, daß es doch seeehr ausführlich ist – auch wenn nach der langen Wartezeit, welche die beiden durch machen mußten, die Länge gerechtfertigt war. Ich beschließe hiermit, daß ich es als Kompliment nehme!!!!!

Aber jetzt kommt dann doch endlich der Schluß des Essens und damit auch die Auflösung ob es nur schüchterne Blicke gibt.

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Das Osteressen – 2

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John zu seiner Seite, lächelte vor sich hin, als er die beiden so sah. Nun war es also offiziell und Sylvia würde nun in Zukunft nichts mehr haben, was sie ihm vorhalten könnte. Na ja, jedenfalls nicht mehr dieses Thema. Sein Blick schweifte über den Tisch und blieb an Laurie hängen. Der Abend mit Rose schoß ihm durch den Kopf, und das Gespräch mit Jessie. Zwei Unterhaltungen mit zwei Frauen, welche in ihrer Sturheit ihm in nichts nachstanden. Eine ruhig und bedacht, die andere feurig und voller Temperament.

Laurie unterhielt sich lebhaft mit Jonathan und beugte sich im Laufe des Gespräches dichter zu ihm hinüber. Hell klang ihr Lachen auf einmal auf, als sie sich über etwas amüsierte, das er gesagt haben mußte. Und in Johns Brust zog sich etwas zusammen, das dieses wundervolle Lachen nicht ihm gegolten hatte.

Wie es oft auf solchen Feiern üblich ist, fing auch nur wenig später nach dem Essen unweigerlich die Reise nach Jerusalem an. Stühle wurden gerückt, Plätze wurden getauscht, und somit die Gesprächspartner gewechselt. Jeder saß mal neben jedem und die Unterhaltungen änderten sich mit dem Platz an den man sich setzte.

Und so kam es, daß auch John und Laurie sich irgendwann nebeneinander wiederfanden. Zumindest saßen sie nebeneinander, auch wenn ihre Körper von dem anderen weggedreht waren. Vertieft in Gespräche mit ihren Tischnachbarn, den anderen jeweils nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen.

Aber wie in dem Spiel, wo mit dem erklingen der Musik die Leute wieder auf Wanderschaft gingen, um sich einen neuen Platz zu suchen, wanderten auch ihre Gesprächspartner weiter und ließen John und Laurie schließlich allein zurück.

Zum ersten mal seit der Kinnhaken Episode vor dem Haus der Staatsanwaltschaft. Wo sie wenigstens wieder eine gemeinsame Sprache gefunden hatten, wenn auch keine gemeinsamen Gesprächsthemen mehr. Schweigen breitete sich zwischen den beiden aus, in dem keiner von beiden wußte, was er sagen sollte. Aber kein unangenehmes Schweigen, sondern mehr die Art, wo man verzweifelt auf der Suche nach einem Gesprächsthema ist, um die Konversation irgendwie wieder in Gang zu bekommen.

John fand zuerst ein Thema. Oberflächlich genug für einen Einstieg in die Unterhaltung, aber persönlich genug, um nicht gedankenlos zu wirken.

„Ich glaube nicht, daß sie dir hier die Tischdecke verkaufen werden.“ Eine Anspielung auf ihre ersten fünf Minuten an diesem Tisch. Und auf ihr Erröten, als er ihre Gedanken gelesen hatte. „Wahrscheinlich nicht“, erwiderte sie mit einem Schulterzucken und betrachtete dabei die grüne Tischdecke unter ihrem Weinglas. „Aber vielleicht sagen sie mir, wo ich sie kaufen kann.“ Sie warf einen lächelnden Seitenblick zu John und er einen schmunzelnden Blick zurück. Gemeinsame Erinnerungen an einen Schrank in denen es nur so vor Tischdecken wimmelte, erwachten in beiden. 

 „Und wie geht es dir sonst so?“ Eigentlich eine harmlose Frage und sie war bestimmt noch immer der übliche Anfang eines Gespräches, wenn man sich lange nicht mehr gesprochen hatte. Jedoch war sie bestimmt nicht geeignet, wenn man gerade selbst dafür verantwortlich war, daß es dem anderen nicht gut ging. Laurie schluckte in die unangenehme Stille, die sich nun zwischen John und ihr ausbreitete und biß sich wütend auf die Lippen. Hätte sie diesen offensichtlichen Waffenstillstand, den John anzustreben schien, nicht ein wenig geschickter beginnen können?

„Ganz gut.“ Kurz und knapp kam seine Antwort. Er schaute sie dabei nicht an und Laurie vermied es ebenso tunlichst ihm dabei in die Augen zu schauen. Sie hätte sich dafür selbst ohrfeigen können. Immerhin konnte sie für sich verbuchen, daß er ihr geantwortet hatte.

Trotzdem beschloß sie, daß es nun an der Zeit war, ebenfalls den Platz zu wechseln, bevor sie mit weiteren unbedachten Worten noch mehr zunichte machen konnte. Oder noch Schlimmer, bevor John es tun würde. Sie nahm das Weinglas und hatte sich gerade von ihrem Sitz erhoben, als Johns Stimme zurück hielt.

„Und dir?“ Das war keine gute Frage, Genauso wenig, wie die ihre eine gewesen war. Dennoch war es nichts anderes als eine Höflichkeitsfloskel, die meistens an dieser Stelle kam. Laurie schluckte erneut und versuchte damit den Kloß in ihrem Hals mit hinunter zu schlucken, der den Tränen immer vorweg ging. „Ganz gut“, log sie bewußt. Und sie mochte sich für diese Lüge gar nicht leiden. Aber sie wollte nicht über Danny reden. Nicht jetzt, nicht mit John und eigentlich auch überhaupt nicht.

Zwei Worte die sehr schnell über ihre Lippen kamen, die ihn aber trotzdem skeptisch machten. Zum einen weil sie zu schnell kamen und zum anderen weil ihm mit ihrer Tonlage, auch ihre Unterschrift auf der Liste einfiel. Stirnrunzelnd sah John sie von der Seite her an, sah aber nichts anderes, als das Laurie den letzten Schluck aus ihrem Weinglas mit einem Zug austrank. „Das waren keine guten Fragen die wir beide da gestellt haben, nicht wahr?“ Ironisch über ihrer beiden Beklommenheit, hob John die Augenbrauen und lächelte Laurie dabei traurig an.

„Nein“, gestand Laurie ein. „Das waren sie nicht.“ Aus einem Impuls hinaus, griff sie nach Johns Hand und drückte sie. „Tut mir leid. Ich wollte nicht gedankenlos erscheine. Ich wußte nur nicht was ich sagen sollte.“ John lachte, während er ihr seine Hand wieder entzog.

„Du wußtest nicht, was du sagen solltest? Laurie, streich dir den Tag rot im Kalender an. Selten genug kommt er vor.“ Er griff nach der Flasche Wasser vor ihnen und schenkte ihnen beiden nach.

„Danke“, murmelte Laurie und griff sofort nach dem Glas, um mit tiefen Zügen das Wasser in ihm zu genießen. Ihre Kehle fühlte sich trocken an und ihr Gaumen klebte zusammen, als ob sie eine Tube Sekundenkleber zum Mittagessen gehabt hatte.

„Sylvia hat erzählt, daß ihr den Hellman – Fall gewonnen habt.“ Ein schmales Lächeln kehrte auf Lauries Lippen zurück. Ein dankbares für John, daß er so einfach die Beklommenheit zwischen ihnen beiden beiseite schob und weiter redete.

„Ja. Unsere Vorbereitungen waren anscheinend ausreichend gewesen, um den Mistkerl festzunageln.“ Sie beugte sich mit einem verschwörerischen Lächeln zu ihm. „Aber erzähl keinem, daß ich versucht habe die Lösung des Falls aus meinem Kaffeesatz zu lesen.“ John griente bei Lauries Worten und rückte mir seinem Stuhl ebenfalls ein Stück näher an sie heran. „Und hattest du Erfolg damit?“

„Nein“, antwortete Laurie lachend. „Deswegen sollst du es ja keinem erzählen!“ Sie rückte wieder ein Stück von John fort und nahm das Glas zur Hand. Erheitert nahm John einen Schluck von seinem Wasser und betrachtete über seinen Rand hinweg Laurie, die ihn über den Rand ihres Glases zuzwinkerte. Den Mund trotz, oder wegen des Geständnisses, noch immer zu einem Lächeln verzogen.

Sein eigenes Gesicht lachte Laurie nun an. Die ersten Worte, die über die Arbeit hinaus gingen. Die ersten Worte, die persönlicher waren, als die üblichen Gespräche. Nichts desto trotz beschloß John, daß dies der Augenblick war, wo er noch einmal das Thema Mika zur Sprache bringen wollte. Nur einmal noch und dann nie wieder. Einfach nur, damit es nicht weiter zwischen ihnen stand und sie vielleicht doch wieder so etwas wie eine Freundschaft aufbauen konnten.

„Laurie“, begann er und sah wie ihr Lachen sofort wieder von ihrem  Gesicht verschwand. Diesen Tonfall kannte sie augenscheinlich nur zu gut von ihm. Ihre Lippen preßten sich aufeinander, als sie ergeben darauf wartete auf das nun unweigerlich kommen mußte.

„Daß mit Mika, ich meine, daß du bei ihr warst, fand ich nicht in Ordnung.“ John wollte noch fortfahren, aber Laurie nickte und fiel ihm ins Wort.

„Ich weiß. Es tut mir leid. Es war wohl......“ John sah, wie Laurie nach den richtigen Worten suchte. „Eine Kurzschlußreaktion von mir.“ Nicht ganz die Wahrheit, dachte Laurie, aber zumindestens dicht dran. Wut über die Art und Weise wie er sie in den letzten Wochen behandelt hatte und dem Bedürfnis ihm doch alles zu sagen, wechselten sich bei ihr in schneller Reihenfolge ab. Doch er saß hier und suchte das Gespräch mit ihr. Er lächelte sie an. Und wie Jessie es ihr in der Küche prophezeit hatte, schmolz ihr Unmut über ihn einfach hinweg. Übrig blieb der Wunsch sich mit ihm wieder zu versöhnen. Doch eine Versöhnung konnte es nur geben, wenn sie ihm erzählte, was es mit Mika auf sich hatte.

Jetzt?

Hier?

Schnell schweiften ihre Augen durch den Raum. Es waren zu viele Menschen hier, zu viele Ohren, die hören könnten, wovor sie ihn zu beschützen versucht hatte. Es brauchte nur jemand ein falsches Wort von ihrem Geständnis aufschnappen und dann wäre ihre ganze Heimlichkeit für die Katz gewesen.

„Was auch immer es gewesen war, ich will es nicht wissen.“ Mitten in ihre Überlegungen hinein sagte er es. Und Lauries Blick, welcher noch eben nach einer Möglichkeit gesucht hatte ihm reinen Wein einzuschenken, richtete sich verblüfft auf ihn.

„Du willst es nicht wissen?“, flüsterte sie, nicht sicher, ob sie darüber nun erfreut oder entsetzt sein sollte. „Nein“, schüttelte John den Kopf. „Ich will es nicht wissen.“

Er brauchte es nicht mehr zu wissen, denn er wußte bereits alles. Jessie hatte es ihm gesagt. „Wie gesagt, es war nicht in Ordnung...“

„Aber...“

„Shhh“. Seine Finger legten sich auf Lauries Lippen und verschlossen damit den Wortschwall der aus ihr herausbrechen wollte. „Laß mich ausreden. In Ordnung?“, fragend sah er Laurie an und nahm erst dann seinen Finger von ihren Lippen, als sie ihm mit einem Nicken zu verstehen gab, daß sie nichts sagen würde.

„Ich werde nicht vergessen können, was du mir damit angetan hast. Dafür hast du mir einfach viel zu sehr wehgetan und mich zu sehr enttäuscht.“ Auch wenn sie ihn vor eine Enttäuschung hatte bewahren wollen, hätte sie doch mit ihm reden sollen.

„Aber ich will zumindestens versuchen es zu vergessen. Und ich will auch nie wieder ein Wort darüber hören oder sprechen müssen. Ist das klar?“, fragend sah John sie an. Sehr ernst. Er wußte sehr genau was er da sagte, denn er hatte nach dem Gespräch mit Jessie lange darüber nach gedacht, wie er eine Versöhnung zwischen ihnen beiden ansteuern konnte, ohne daß Laurie sich vor ihn die Blöße geben müßte aus welchen Gründen sie zu Mika gegangen war.

Und Laurie begriff was er ihr anbot. Einen neuen Anfang. Einen neuen Versuch.

Freude kam in ihr auf und spiegelte sich in ihren Augen und in ihrem Gesicht wieder.

„Darf ich jetzt wieder was sagen?“, wollte sie wissen und John mußte bei dieser Frage grinsen. „Du redest doch schon.“ Laurie schmunzelte ebenfalls und sah nur für einen kleinen Moment auf den Tisch vor ihr.

„Danke.“ Genau in diesen kurzen Moment geflüstert, den ihr Blick auf der Tischdecke verweilt hatte.

„Schon gut.“ Seine Hand legte sich auf die ihre und drückte sie kurz. „Aber nie wieder!“

Wie ein braves Mädchen, welches eine Anweisung von ihrem Vater entgegen nimmt, nickte Laurie ihre Zustimmung. „Ja.“ Sie drehte ihre Hand und drückte nun die von John.

So saßen die beiden da, hielten sich an den Händen und begannen an dieser Stelle ihre Freundschaft neu. Ganz zart und ganz vorsichtig.

Es war das Klingeln von Lauries Handy, das diesen Moment unterbrach.

Laurie entzog John ihre Hand und benutzte sie statt dessen, um ihr Handy aus der Tasche zu ziehen. „Hallo?“ Entschuldigend warf sie einen Blick zu John, der aber sogleich in Verwirrung umschlug. „Was ist los?“ Aufmerksam betrachtete John die Ungläubigkeit in Lauries Gesicht. „Keine Ahnung. Die Verbindung ist unterbrochen worden.“ Verwirrt nahm Laurie das Handy vom Ohr und schaute auf das Display. Welches mit seiner Schwärze anzeigte, daß es aus war. „Oh, das Handy ist aus gegangen, das ist los.“ John sah auf das Handy in ihrer Hand und auf ihre Finger, die nun den Knopf drückten, um das Mini Telefon wieder einzuschalten. Einen Augenblick brauchte das Handy um seine Funktionen wieder zu starten und wartete dann auf Lauries Pin. Auffordernd sah Laurie John von der Seite her an. „Würdest du bitte?“

„Sicher.“, grinste John und nahm sein Glas zur Hand, während Lauries Finger über die winzigen Zahlen fuhren. „Ok.“ John stellte das Glas wieder ab und sah wieder auf das Telefon, das sich genau diesen Augenblick aussuchte, um wieder abzustürzen. „Das gibt es doch nicht“, murmelte Laurie vor sich hin. „Das ist ja noch nie passiert.“ Abermals wiederholte Laurie die Prozedur, allerdings ohne John diesmal zu bitten, sich weg zu drehen. Brauchte sie auch gar nicht, denn automatisch tat er es, als das Handy Lauries Pin forderte. Doch dieses Mal kam sich nicht einmal dazu, ihre Geheimzahl einzugeben, die ihr den Zugriff auf ihre Daten erlaubte. Schon mitten im tippen, beendete es ihre Kommunikation. „Ich verstehe das nicht.“ John drehte sich bei ihren Worten wieder zu dem Handy hin und betrachtete es. „Darf ich mal?“, fragend hielt er ihr die Hand hin. „Sicher. Probier du dein Glück. Vielleicht redet es ja lieber mit Männern.“ Ironisch kamen ihre Worte, aber sie übergab ihm das Handy und beugte sich dann doch neugierig zu ihm herüber. Doch John machte keine Anstalten das Handy erneuert zu starten, sondern öffnete auf seiner Rückseite die Klappe zum Akku. „Sieht ganz schön mitgenommen aus“, bemerkte er, während er die zahlreichen Schrammen und Kratzer auf der Vorder- und Rückseite betrachtete. „Du hast es nicht mal zufällig gegen die Wand geworfen?“, scherzte er, während er versuchte irgendwelche Schäden an dem Akku festzustellen.

Schweigen antwortete ihm. Erst nach einer ganzen Weile und nach einem fragenden Blick von John, beschloß Laurie zu antworten. „Nein, das Handy nicht.“ Sehr interessiert schaute sie sich das Innenleben ihres Handys in Johns Händen an.

„Wie, das Handy nicht?“ John lachte und dachte, daß sie nur ihre Scherze mit ihm trieb. Erst nach und nach ging ihm auf, daß die Frau zu seiner Seite nicht spaßte. „Nein, Laurie. Sag mir jetzt nicht, daß du das Telefon zu Hause an die Wand geworfen hast?“ Ungläubigkeit färbte seine Stimme, als er das Handy in seiner Hand vergaß und Laurie entsetzt anstarrte. Auf diese Frage antworte Laurie ihm erst lieber gar nicht.

Dieses Telefon war nämlich ihr gemeinsamer Schatz gewesen. Lange waren sie quer durch New York unterwegs gewesen, um ein Telefon zu finden, welches ihren, Lauries, ästhetischen Ansprüchen entsprach und Johns Verlangen, nach Funktionalität.

„Sag mir bitte, daß es sich reparieren läßt?“ Vergessen war das kaputte Handy in seiner Hand. Ungläubig und fast schon bittend waren Johns Augen auf Laurie gerichtet und warteten auf ihre Zustimmung. Auf die Worte, die ihm bestätigen würden, daß es gar nicht so schlimm war, wie es sich sein Gehirn ausmalte.

Nachdem Laurie bemerkte, daß John dem kleinen Telefon in seiner Hand keine Beachtung mehr schenkte, hob sie den Blick und schaute mit einem verlegenen Grinsen zu ihm. „Ich war sehr wütend auf dich.“ Es brauchte keine weiteren Erklärungen ihrerseits, denn John wußte sofort wovon sie sprach. Von einem Abend, als sie zweimal versucht hatte ihn anzurufen und er einfach die Verbindung unterbrochen hatte.

Resigniert schüttelte John den Kopf. „Laurie, mit deinem Temperament kommst du noch mal in Teufels Küche.“ Er schaute wieder auf das Handy in seiner Hand und fügte dann noch hinzu: „Und was ist noch zu Bruch gegangen?“ John kannte nicht nur Lauries Temperament, sondern auch ihre Treffsicherheit.

„Die grüne Vase, die ich von meiner Mutter mal zu Weihnachten bekommen habe.“ Abermals schüttelte John den Kopf. „Die konnte ich sowieso noch nie leiden. Hoffentlich bringen dir ihre Scherben mehr Glück.“ Er baute Lauries Handy wieder zusammen und hielt es ihr wieder hin. „Aber für das Handy hat es leider nicht gereicht, es scheint wirklich kaputt zu sein.“