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Ein Wintermärchen - Thread 1

Re: Ein Wintermärchen

Gibbs

Jethro blickte seine Freundin aufmerksam an, während er sich aus ihrem Griff löste und sich mit einem leisen Seufzen in den Rollstuhl gleiten ließ. "Ich werde auch nicht von dir verlangen, dass du Hals über Kopf eine Entscheidung triffst, Holly. Du hast dir ein Leben in Hawaii aufgebaut, und das sollst du nicht einfach abbrechen." Er blickte aus dem Fenster und suchte nach Worten.

"Gegenseitiges Vertrauen ist manchmal eine unendlich komplizierte Sache," seufzte er schließlich. "Ich vertraue dir, Hollis Mann. Ich vertraue dir so sehr, wie ich schon sehr lange keinem Menschen mehr vertraut habe. Und ich vertraue dir, dass du dieses Vertrauen zu würdigen weißt. Dass du mich nicht verletzt, bewusst oder unbewusst. Das Vertrauen eines anderen Menschen ist eine Verantwortung, und derer bist du dir bewusst." Er blickte Hollis erneut an und suchte ihren Blick.

"Du musst Entscheidungen treffen, Holly. Über unsere Zukunft können wir nur gemeinsam entscheiden, da hast du Recht. Aber du musst dich entscheiden, was DU willst, Holly. Dabei werde ich dir nicht helfen können. Du musst entscheiden, wer du bist und was du willst - und was es dir wert ist. Wenn ich dir in irgendeiner Weise helfen kann, dann werde ich es tun, das weißt du. Aber entscheiden musst du dich selbst."

Ein Hupen ließ ihn rasch auf die Straße blicken. "Das Taxi ist da," erklärte er und rollte in Richtung Tür. "Nimm dir Zeit, Holly," verabschiedete er sich. "Aber denk darüber nach."




Re: Ein Wintermärchen

Hollis

Mit einem „Ja, das werde ich. Bis später“, begleitete Hollis Gibbs bis zur Tür, gab ihm einen Kuss und sah ihm nach, wie er schwer fällig ihm hinteren Teil des Taxis verschwand. Nachdenken war eine Sache, die ihr im Augenblick ausgesprochen schwer fiel. Egal wie sie es drehte und wendete, sie brachte einfach keinen klaren Gedanken zustande. Alles war mit einem Wenn und Aber behaftet und sie hatte Angst vor ihrer eigenen Courage. Letztendlich wusste sie aber, dass sie eine Entscheidung treffen musste und Gibbs´ Recht hatte. Dabei konnte er ihr nicht helfen. Gedankenverloren griff sie nach den Autopapieren, als ihr Handy klingelte und Susan sich am anderen Ende der Leitung meldete. Aufmerksam lauschte sie den Ausführungen ihrer ehemaligen Army-Kollegin und merkte, wie ihre Hand zu zittern begann. Das durfte doch wohl nicht wahr sein. Waren Shania und ihre Mutter nicht einmal im Gefängnis vor Ethan sicher? Und war überhaupt Ethan dafür verantwortlich? Hollis zwang sich zur Ruhe und versuchte das Gehörte zu verarbeiten. „Susan, was genau hat Maria gesagt?“, fragte sie und überlegte gleichzeitig, wann und wie schnell sie nach D.C. zurück kehren könnte.

„Nicht viel, nur dass sie entweder mit euch oder Agent Fornell sprechen will. Sonst mit niemanden.“ Die Vollzugbeamtin machte eine kurze Pause und fügte hinzu: „Holly, ich habe mit Fornell gesprochen. Er ist auf dem Weg hierher. Du kennst ihn doch auch. Er ist ein netter Griesgram. “

Etwas beruhigter atmete Hollis aus. Es war gut, dass Maria wenigstens mit Fornell sprechen wollte. Sie wusste, dass sie sich auf den FBI-Agenten verlassen konnten. Immerhin hatte er ihnen schon die ganze Zeit über in der Sache geholfen. Trotzdem wäre sie am liebsten auf der Stelle zurück geflogen, wurde aber auch durch Susan von dem Gedanken abgehalten. „Fornell wird wissen was zu tun ist. Also mach dir keine Sorgen. Ich halte dich auf dem Laufenden und wenn alle Stränge reißen, gibt es immer noch die Möglichkeit, dass du am Telefon mit Mutter und Tochter sprichst.“

„O.k.“, gab Hollis zurück „Ruf mich an, egal wann. Ich will wissen was los ist und sag Shania, dass wir sie lieb haben. Dass sie ist das tapferste kleine Mädchen ist, das wir kennen und sie keine Angst haben soll“

Susan lachte leise am anderen Ende. Es war nicht zu überhören wie viel das Kind Hollis bedeutete. „Ja, das werde ich. Auf jeden Fall.“

Nachdem Gespräch brauchte Hollis noch eine Weile um sich zu sortieren. Sie war aufgewühlt und überlegte, ob sie Jethro anrufen sollte. Letztendlich entschied sie sich jedoch dagegen und hinterließ ihm eine Nachricht, dass Susan angerufen hat, Fornell sich um die Sache kümmert und sie ein Stück mit dem Auto unterwegs ist. Dann stieg sie in den Wagen und fuhr über den Oceanside Blvd. auf den Nord Highway 99 in Richtung Bakersfield, wo sie dreieinhalb Stunden später in einem kleinem verschlafenen Vorort ankam.

Etwas steif von der langen Autofahrt, parkte sie den Wagen gegenüber eines kleinen Reihenhauses und stieg aus. Hollis konnte sich kaum erinnern, wann sie das letzte Mal hier gewesen war. Zehn Jahre waren es mindestens und Ian, ihr Neffe, war damals höchstens sechs gewesen. Seitdem hatten sie den Jungen noch ein paar Mal auf Besuch bei ihren Eltern gesehen, aber das war mittlerweile auch schon wieder gut zwei Jahre her. Langsam ging sie die Einfahrt entlang. Schon von weitem hörte sie die springenden Geräusche eines Basketballs und sah den Ball auf sich zu gerollt kommen. Schmunzelnd nahm sie ihn auf und versenkte ihn mit einem gezielten Wurf in den Korb über dem Garagentor. Ein verblüffter blonder Junge sah sie mit großen Augen an. „Wow... cool. W-wie haben Sie das gemacht?“, wollte er wissen und verschluckte sich bei der Frage beinahe, als er erkannte wen er vor sich hatte. „Ho-Hollis“, stotterte er überrascht und begrüßte sie mit einem freudigen Lächeln, bevor er aufgeregt ins Haus stürmte. „Mom... Mom, komm schnell. Schau mal wer hier ist.“


Re: Ein Wintermärchen

Gibbs

Der Ermittler war nach kurzer Zeit im Krankenhaus angekommen und wurde von Dr. Brentwood bereits erwartet. Nach einer knappen Begrüßung hieß es für den Agenten auf der Untersuchungsliege Platz nehmen. Er biss die Zähne zusammen, als der Mediziner den lädierten Knöchel unter die Lupe nahm, doch der Arzt war zufrieden. Eine Viertelstunde später stand Jethro bereits wieder in der kalifornischen Mittagssonne - oder besser gesagt: er saß. Den Rollstuhl war er wie erwartet noch nicht losgeworden.

Er bestellte sich ein Taxi und kehrte zum Apartment zurück, wo er eine Nachricht von Holly vorfand. Das Maria Mondego bedroht wurde, gefiel ihm absolut nicht, aber er wusste, dass er Tobias vertrauen konnte. Wenn er nicht weiterkam, würde der allte Knurrkopf sich mit Sicherheit melden, also musste er sich im Moment keine weiteren Gedanken darum machen. Der Rest von Hollis' Notiz verriet ihm, dass seine Freundin beschlossen hatte, einen Ausflug mit dem Auto zu unternehmen, von dem sie erst spät zurückkehren würde. Jethro gähnte ausgiebig und beschloss, sich einen kleinen Mittagsschlaf zu gönnen - aus dem er erst drei Stunden später erwachte.

Mittlerweile stand die Sonne bereits tief am Himmel, und Gibbs verzichtete darauf, erneut ein Taxi zu rufen. Er packte einige Decken ein und rollte langsam aus dem Haus, entlang des Camps nach Norden. Der Sandweg, den er Hollis empfohlen hatte, war mit dem Rollstuhl etwas schwierig zu befahren, doch der Agent hatte es nicht eilig und kam gut voran. Wenig später hatte er die kleine Bucht erreicht, wickelte sich in die mitgebrachten Decken und genoss einfach nur den Ausblick. Er fühlte sich erleichtert und frei, zum ersten Mal seit Jahren war er in der Lage,einfach nur aufs Meer hinaus zu sehen und an gar nichts zu denken.




Re: Ein Wintermärchen

Hollis

Langsam folgte Hollis dem Jungen zum Haus und schmunzelte, als eine dunkelhaarige Frau Mitte Dreißig erstaunt in der Tür erschien. „Hollis, ich glaube es nicht. Was tust du denn hier? Ich denke du bist auf Hawaii?“

„Nein, zur Zeit nicht. Hallo Debbie“, antwortete Hollis und sah Ian hinter seiner Mutter auftauchen. Der Junge war seinem Vater im Laufe der Jahre immer ähnlicher geworden und erinnerte sie damit umso schmerzlicher an ihren toten Bruder.

„Es ist schön dich zu sehen“, erwiderte die dunkelhaarige Frau und umarmte die Agentin herzlich. „Los komm rein. Erzähl, wie geht es dir? Und was führt dich hierher? Ich will alles wissen.“

Lachend folgte Hollis ihr ins Haus und berichtete, dass sie seit Ende des Jahres nicht auf Hawaii und zur Zeit für ein paar Tage in San Diego war. Wieso, weshalb und warum musste die ehemalige Freundin ihres Bruders jedoch nicht wissen, wobei die junge Frau jedoch eine Sache richtig erriet: „Du bist nicht allein in San Diego, richtig? Komm schon, raus mit der Sprache. Wer ist es?“

„Wie kommst du darauf, dass ich mit jemanden dort bin?“, fragte Hollis scheinheilig zurück und konnte sich ein zufriedenes Schmunzeln nicht verkneifen.

„Deswegen“, dabei wies Debbie auf Hollis Gesicht. „Ich kann mich nicht erinnern, wann ich dich das letzte Mal derart glücklich gesehen habe. Dafür ist eindeutig ein Mann verantwortlich, das sehen ich dir genau an. Und versuch erst gar nicht es zu leugnen. Ich sehe auch in der Schule genau wenn meine Schüler lügen, dafür habe ich ein Gespür.“

Hollis musste lachen, als Ian seiner Mutter beipflichtete: „Ja, da hat sie recht. Als Lehrerin ist sie beinahe schon unheimlich. Ich kann ihr auch nie etwas verheimlichen.“

„Also ja, ihr habt mich ertappt“, gestand Hollis und nickte versonnen. „Ich bin mit meinem Freund für ein paar Tage dort und wollte die Gelegenheit nutzen euch zu besuchen.“

„Und warum hast du ihn nicht mitgebracht?“, wollte der Junge neugierig wissen, während seine Mutter etwas zurück haltender war.

„Er konnte leider nicht“, erwiderte Hollis und warf einen knappen Blick auf die Uhr. In spätestens einer Stunde würde sie los müssen, um nicht allzu spät zurück zu sein. Doch im Augenblick genoss sie das Wiedersehen und beschwichtigte Ian, der sich entschuldigte, weil er zum Basketballtraining musste.

„Er wird Colin immer ähnlicher“, stellte Hollis mit wehmütigen Unterton gegenüber seiner Mutter fest und sah in ihr lächelndes Gesicht. „Ja, das wird er. Colin wäre stolz auf ihn.“ Dann machte die dunkelhaarige Frau eine kurze Pause und schenkte ihrer Gegenüber einen Kaffee ein. „Du machst dir immer noch Vorwürfe wegen damals, nicht wahr?“
„Ich... uhm, wie kommst du drauf?“, fragte Hollis verwirrt und war über die direkte Art ihrer beinah Schwägerin erstaunt. Sie hatten bisher nie großartig Gelegenheit zum reden gehabt. Deborah gehörte zwar vor Colins Tode fest zur Familie, immerhin erwartete sie damals ein Kind und wollte ihren Bruder heiraten, doch hatten sie sich danach aus den Augen verloren. Hollis hatte sie nicht sehen wollen. Sie hatte der jungen Frau einfach nicht in die Augen blicken können, denn immerhin war sie es gewesen, die ihren Bruder zu der verhängnisvollen Klettertour überredet hatte.

„Hollis, du kannst mir nichts vormachen. Ich habe doch gesehen, wie du Ian angesehen hast. Ich habe zwar keine Ahnung, warum du ausgerechnet heute hier aufgetaucht bist. Aber ich weiß, dass du dir die Schuld an Colins Tod gibst. Dustin hat es überwunden, aber du bist uns immer wieder aus dem Weg gegangen.“

Seufzend schloss Hollis kurz die Augen und wünschte Jethro wäre hier. Sie beneidete ihn für den Mut, in seinem Leben reinen Tisch zu machen. Sie wusste zwar, dass er dafür ebenfalls eine halbe Ewigkeit gebraucht hatte, es im Gegensatz zu ihr aber wenigstens versuchte. „Ich wünschte...“, begann sie leise und spürte wie Debbie ihre Hand ergriff. „Das damals wäre nie geschehen. Dann hättest du nicht Colin und Ian nicht seinen Vater verloren.“

„Ach Hollis, hör doch auf. Es war weder Dustins noch deine Schuld. Du weißt genau, dass der Unfall nicht alleine Schuld an seinem Tod gewesen ist. Es konnte keine ahnen, dass er krank ist. Ebenso wenig, wie du es von dir wusstest und wir es nicht von Ian wussten.“

„Ian hat es auch?“, fragte Hollis erstaunt und sah Debbie nicken.

„Ja, er ist in Behandlung und kommt gut damit zurecht. Vor einem halben Jahr hatte er eine Blinddarmoperation und hat alles bestens überstanden. Also hör endlich auf dir Vorwürfe zu machen!“

Das waren klare Worte denen Hollis nichts entgegen setzen konnte, obwohl es für sie selbst noch ein weiter Weg war zu akzeptieren. Die beiden Frauen unterhielten sich noch lange. Hollis erzählte ihr von Hawaii und von Jethro. Davon, dass sie nach einer ersten Trennung gemeinsam eine zweiten Versuch starten wollten. Erst als Deborahs Mann von der Arbeit und Ian vom Training nach Hause kam, bemerkte sie wie spät es mittlerweile geworden war. Debbie und ihre Familie bestanden darauf, dass sie über Nacht blieb und überließen ihr das Gästezimmer. Mit einem erschreckten Blick auf die Uhr stellte Hollis fest, dass Jethro sich bestimmt Sorgen machte. Es wunderte sie allerdings, dass er sich noch nicht gemeldet hatte. Ebenso wie Susan, die zurück rufen wollte. Besorgt kramte sie ihr Handy aus der Tasche und sah, dass der Akku leer war.

Re: Ein Wintermärchen

Gibbs

Jethro blieb an der Klippe sitzen, bis es dunkel wurde, ehe er sich auf den mähseligen Rückweg machte. Zu Hause angekommen, stellte er beunruhigt fest, das Hollis noch nicht zurück war und auch keine Nachricht auf seinem Handy hinterlassen hatte. Während er sich mit einer heißen Tasse Kaffee auf dem Sofa niederließ, wählte er bereits ihre Nummer. Doch am anderen Ende der Leitung meldete sich lediglich die Mobilbox, ein Zeichen dafür, dass ihr Handy ausgeschaltet war. Der Silberfuchs hatte ein ungute Gefühl bei der Sache, aber da er nicht die geringste Ahnung hatte, wohin seie Freundin unterwegs war, konnte er wenig unternehmen. Abgesehen davon war es noch nicht einmal besonders spät, sie würde vermutlich jederzeit auftauchen.

Einen Anruf hatte er allerdings dennoch verpasst, Duckys Nummer blinkte auf dem Display. Vermutlich hatte er Hollis ebenfalls nicht erreichen können, und seufzend beschloss der Agent, seinen alten Freund selbst anzurufen und einen Lagebericht abzugeben. Wie erwartet, war der Pathologe nicht sehr erfreut über seine nächtliche Kamikaze- Aktion auf dem Friedhof, doch er erkannte rasch, dass es Jethro mittlerweile wieder besser ging - körperlich wie seelisch. Sie unterhielten sich noch eine Weile über die neuesten Ereignisse im Hauptquartier, ehe Ducky von seiner Mutter mit Beschlag belegt wurde. Schmunzelnd legte der Agent auf und humpelte in die Küche, um frischen Kaffee zu kochen. Hollis hatte sich noch immer nicht gemeldet, auch auf seiner Mobilbox - die automatisch ansprang, sobald er telefonierte - fand sich kein Hinweis auf einen Anruf. Ein erneuter Anruf seinerseits brachte noch immer ihre Mobilboxansage hervor, und diesmal klang die Nachricht, die er hinterließ, schon wesentlich ungeduldiger.

Als sich das Spiel eine weitere Stunde später wiederholte, wurde Jethro ernsthaft wütend. Er hatte nichts dagegen, dass Hollis allein unterwegs war, aber sie musste wissen, dass er sich Sorgen um sie machte! Warum meldete sie sich nicht, um ihm zu sagen, dass alles in Ordnung war und wann sie wiederkommen wollte? Auf ihrer Nachricht hatte nichts davon gestanden, dass sie über Nacht wegbleiben wollte, und er war sicher, dass sie ihm das gesagt hatte. Verdammt, hoffentlich war ihr nichts passiert!! Mittlerweile war Jethro kurz davor, McGee anzurufen und ihn das Handy orten zu lassen, doch er riss sich zusammen. Erstens hatte sein Junior Agent längst Feierabend, und zweitens wusste selbst Gibbs mittlerweile, dass Tim nur eingeschaltete Handys orten konnte. Er beschloss, sich noch eine weitere Stunde in Geduld zu üben, dann würde er Tim stören und ihn bitten, nach dem letzten Aufenthaltsort zu suchen. Vielleicht würde ihn das weiterbringen, wenn Hollis sich bis dahin nicht gemeldet hatte.

Tobias Fornell rief er nicht an, er wusste, dass sein langjähriger Weggefährte ohnhin von selbst anrufen würde, wenn es etwas zu berichten gab. Und es war vermutlich besser, die Verbindungen mölglichst kurz zu halten, für den Fall, dass ihre Handys überwacht würden. Der Staatsanwalt würde sicherlich wenig begeistert sein, wenn er erfuhr, wer hier alles unter wessen Decke steckte. Seufzend lehnte sich der grauhaarige Mann zurück und wartete ungeduldig darauf, dass sein Telefon läutete. Allerdings dauerte es nicht lange, ehe er dabei auf dem Sofa einschlief, Handy und Kaffeetasse noch in der Hand.




Re: Ein Wintermärchen

Hollis

Der Akku ihres Handes war nicht nur leer, sondern komplett tot, wie Hollis zu ihrem Ärger feststellte. Wie sollte sie jetzt erfahren, ob und wer sie angerufen hat? Davon abgesehen, dass Jethro sich mit großer Wahrscheinlichkeit schon Sorgen machte. Zu ihrer Erleichterung wusste jedoch ihr Neffe Rat. Nach einer kurzen intensiven Suchaktion in der Garage seines Stiefvaters brachte Ian tatsächlich ein ausgedientes baugleiches Handy mit noch funktionstüchtigen Akku zum Vorschein. Das konnte man wahrlich Zufall nennen und Hollis versprach dem Jungen sich für seine Mühe zu revanchieren, bevor sie nach einer weiteren guten halben Stunde endlich anrufen konnte.

Wie sie schon vermutete hatte, hatten mehrere Leute versucht sie zu erreichen. Dustin war zum Glück dieses Mal nicht mit dabei, aber Ducky wollte wissen wie es um Gibbs stand und Susan teilte ihr mit, dass Fornell sich bei ihnen melden würde. Jethro hatte indes gleich mehr als eine Nachricht auf der Mailbox hinterlassen. Vor allem die letzte Nachricht machte ihr deutlich, dass er verärgert und besorgt war.

Hollis ließ sich müde auf der für sie angerichteten Liege nieder und wählte die Nummer seines Handys in der Hoffnung, dass er auch ran ging. Es dauerte einen Moment, dann hörte sie seine verschlafene Stimme am anderen Ende. Sie atmete erleichtert auf und plapperte sogleich entschuldigend los: „Jethro, es tut mir leid. Ich bin in der Nähe von Bakersfield und wollte eigentlich längst zurück sein. Leider ist aber etwas dazwischen gekommen und ich werde heute hier übernachten. Mach dir bitte keine Sorgen. Es geht mir gut.“ Vor lauter Aufregung vergaß sie dabei jedoch zu erklären wo und bei wem sie überhaupt war und fügte mehr beiläufig als bewusst hinzu: „Ich hätte das schon viel früher tun sollen. Ian ist ein toller Bursche. Colin wäre verdammt stolz auf ihn.“


Re: Ein Wintermärchen

Gibbs

Ian? Colin? Bakersfield? Jethro verstand einen Moment lang nur den sprichwörtlichen Bahnhof, ehe er sich daran erinnerte, wer Colin war. Offensichtlich hatte Hollis einen Ausflug zur Familie ihres toten Bruders unternommen, was ihn angesichts ihrer nachdenklichen Stimmung mehr als wunderte. Aber offensichtlich war sie dort gut aufgenommen worden.

"Das ist schön zu hören, dass es dir gut geht," knurrte der Ermittler schließlich. Er wollte ihr seinen Ärger nicht direkt ins Gesicht brüllen und riss sich zusammen. "Darf ich erfahren, warum du dich nicht gemeldet hast?!" Er wartete keine Antwort ab und fuhr rasch fort. "Schöne Grüße von Ducky, ich habe mit ihm gesprochen, und er weiß Bescheid, was passiert ist. Hat Fornell versucht, sich bei dir zu melden?" Auch auf diese Frage erwartete er keine Antwort, weil Tobias mit ziemlicher Sicherheit ohnehin zuerst ihn anrufen würde.

Unterdessen stellte er die mittlerweile kalt gewordene Kaffeetasse auf den Tisch und stand langsam auf, das Telefon noch am Ohr. Beim Aufsetzen hatte ihn eine von einem Vormieter vergessene Reißzwecke im Sofa unsanft an seine Thromboseprophylaxe erinnert. Und da Hollis über Nacht weg bleiben würde, musste er wohl oder übel allein damit fertigwerden. Während er auf Hollis Erklärungen wartete, hüpfte er auf einem Bein ins Bad und fluchte kräftig los, als er mit dem nackten Zeh gegen den Türrahmen stieß.




Re: Ein Wintermärchen

Hollis

Seufzend ließ Hollis sich in die Kissen sinken. Jethro war sauer und das konnte sie ihm noch nicht einmal verdenken, umgekehrt hätte sie wahrscheinlich ähnlich reagiert. „Es tut mir leid, ich wollte nicht...“, setzte sie zu einer Entschuldigung an, als sie Gibbs fluchen hörte. Erschrocken presste Hollis den Hörer fest an das Ohr. „Alles in Ordnung bei dir?“, fragte sie besorgt und hörte ihn ärgerlich schnaufen. Er brummte etwas unmissverständliches und sie setzte ihre Entschuldigung fort: „Hör zu, ich war durcheinander und brauchte etwas Abstand. Ich habe mich ins Auto gesetzt und bin einfach drauf los gefahren.“

Sie machte eine kurze Pause und lauschte in den Hörer. Als keine Reaktion von ihm kam, erzählte sie weiter: „Dummer Weise hat der Akku meines Handys den Geist aufgegeben und ich habe es nicht gemerkt. Susan hat auch versucht mich zu erreichen und mir mitgeteilt, dass Fornell sich bei dir melden will. Es tut mir leid, dass du dir Sorgen gemacht hast. Die Sache mit dem Handy ist blöd und ich das war alles nicht geplant. Es ist einfach so gekommen, aber jetzt bin ich froh, dass ich hier bin. Es war längst überfällig und es hat mir gut getan, mit Ian und seiner Mutter zu reden. Bitte, sei mir nicht böse“, bat sie und fügte sanft hinzu: „Du fehlst mir. Ich weiß gar nicht wie ich die Nacht allein, ohne dich, überstehen soll. Außer?“ Hollis senkte geheimnisvoll die Stimme und schmunzelte vor sich. “Wir vertreiben uns die Zeit mit Telefonsex.“


Re: Ein Wintermärchen

Gibbs

Wider Willen musste der Agent grinsen. "Keine schlechte Idee," antwortete er. "Allerdings schlage ich vor, dass wir dazu das Festnetz benutzen, bevor dein Akku wieder den Geist aufgibt, wenn es am schönsten ist," führte er den Gedanken mit todernster Stime weiter. "Außerdem hat Tobias sonst keine Gelegenheit, sich bei mir zu melden... und ich würde schon gern wissen, was er uns mitzuteilen hat. Und zu guter Letzt können wir über das Festnetz auch die Jungs an der Abhöranlage mal wieder ein bisschen aufheitern, die haben auch hin und wieder etwas Abwechslung verdient." Er ging zwar nicht wirklich davon aus, dass die Leitung des Appartments überwacht wurde, aber man konnte ja nie wissen.

Während er Hollis' schallendem Gelächter lauschte, klemmte er das Handy mit der Schulter fest und begann mit dem Versuch, einhändig das Medikament in die Spritze zu bekommen. Der erste Versuch endete damit, dass die Nadel statt in der Flasche einen halben Zentimeter in seinem Finger steckte, wass Jethro mit einem kurzen, wütenden Schmerzenslaut quittierte. Der zweite und dritte Versuch verliefen ähnlich, bis der Ermittler schließlich die Zähne zu Hilfe nahm, um die Flasche festzuhalten. Ohne größere Probleme, wenn auch etwas ungeschickt, schaffte er es schließlich, auch die Luft entweichen zu lassen und das Zeug endlich an seinen Bestimmungsort zu befördern. Er hatte zwar offensichtich nicht gerade die sanfteste Variante angewendet - der Bereich um die Stichstelle färbte sich rasch blau - aber zumindest hatte er den Rest der Nacht Ruhe. Oder den Kopf frei für verführerische Telefonate mit Hollis.

Das Handy klemmte noch immer zwischen Ohr und Schulter, und Jethro fiel auf, dass Hollis schon eine ganze Weile nichts mehr gesagt hatte. "Bist du noch da?" fragte er. "Also, von mir aus kann es losgehen... Hast du was zu schreiben? Die Nummer des Apparates hier ist 1-760-555-178. Du müsstest mir nur noch die Zeit geben, einen frischen Kaffee aufzusetzen, ich habe keine Lust, den alten in die Mikrowelle zu stellen." Ohne eine Antwort abzuwarten, hüpfte er in Richtung Küche. Er brauchte im Moment ohnehin gefühlte Ewigkeiten für alles, was er tat, und je schneller er anfing, desto schneller würde der Kaffee fertig sein.



Re: Ein Wintermärchen

Hollis

Kichernd notierte Hollis die Nummer des Apartment. Das Ganze hatte eigentlich nur ein Scherz sein sollen. Nun war sie überrascht, dass Jethro nicht abgeneigt klang, um sich auf ein solches Spiel einzulassen. Allerdings hatte sie so etwas noch nie getan und wusste auch nicht so recht, ob es wirklich dazu kommen würde. Doch der Gedanke daran war interessant und verlockend zugleich.

„Lass dir Zeit“, merkte sie an und bekam das Grinsen einfach nicht aus dem Gesicht. „Debbie hat mich gerade zum Abendessen gerufen und danach würde ich gerne noch duschen gehen. Also, ich denke, es wird leider eine Weile dauern, ehe ich zurück rufen kann. Aber dann...“ Sie kam sich wie ein verliebter Teenager vor und eine kribbelige Vorfreude machte sich in ihr breit. Hollis hob verschwörerisch eine Augenbraue während sie verführerisch in den Hörer flüsterte: „... sind wir ungestört und ich habe mir bis dahin sicherlich überlegt, ob ich nackt schlafe oder nicht.“

Am anderen Ende war ein leises Brummen zu hören und Hollis deutete es als Neugier seinerseits. „O.k. Also bis nachher. Ich liebe dich“, verabschiedete die blonde Frau sich fürs Erste und legte mit einem leiser Seufzer auf. Herrje, auf was hatte sie sich da nur eingelassen? Schmunzelnd legte sie das Handy aus der Hand. Zur Zeit war ihr Leben alles andere als langweilig. Sie befand sich im Haus der Familie ihres toten Bruders und hatte dabei gleichzeitig schweinische Gedanken an ihren Freund. Lauter Dinge, an die sie bis vor ein paar Monaten nicht im Traum zu denken gewagt hätte.