Auf die Idee, mich selbst zu googeln, war ich in all den Jahren noch nicht gekommen. Ich schnaufe empört. "Kreuzung zwischen Fisch und Mensch? Das ist eine Beleidigung!" Ich starre verdrossen auf den Bildschirm. Da klingt 'dämonischer Wassergeist' besser. Auch wenn ich ein Dämon bin, und kein dämonischer Geist. 'Dämonischer Geist' klingt eher nach niederem Dämon. "Gib mal 'Werwofl' ein. Du wirst dich wundern, was da alles über euch drinsteht", meine ich amüsiert. "Ich werde ihn fragen, aber er wird nicht für uns in die Datenbank reingehen", gehe ich auf seine erste Frage ein. "Er weigert sich, elektronische Geräte zu benutzen", erkläre ich schulterzuckend. Ich habe nie verstanden, wie jemand so intelligentes wie Aidan so engstirnig sein konnte. "Aber er hat eine riesige Bibliothek. Mit Büchern, die teilweise sogar noch älter sind als du. Es ist erstaunlich, was man für Infos in solchen Büchern findet, wenn man sie richtig liest." Die Erfahrung habe ich selbst gemacht. Sachen, die in den Ohren der Menschen sich eher wie Unsinn anhören, waren für mich sehr aufschlussreich gewesen.
Ich gebe tatsächlich Werwolf ein. Allerdings bin ich mir nicht einmal sicher, wie man es heutzutage schreibt. Überhaupt bin ich im Schreiben und Lesen nicht sonderlich fit. Ich habe es erst als Werwolf gelernt und das auch erst recht spät. Mit Büchern kann ich nicht sonderlich viel anfangen. Allerdings: "Gut, vielleicht steht ja etwas in den Büchern."
Weiter will ich eigentlich nicht auf den Vampir eingehen. Glücklich darüber, dass wir auf seine Hilfe angewiesen sind, bin ich schon mal nicht. Und was Ariel eventuell für eine Beziehung zu ihm hat, interessiert mich auch nicht. Überhaupt nicht. Garantiert nicht. Basta.
Verbissen schaue ich auf den Bildschirm und warte auf das Ergebnis. Wikipedia? Was ist das denn schon wieder? Ich klicke es mal an. Blöder Zeiger! Nicht dahin... Ungeduldig versuche ich ihn noch einmal auf den Link zu dirigieren. Es geht alles nur schrecklich langsam. Dabei sieht es bei Ariel so leicht aus.
Dann bin ich erst einmal mit Lesen beschäftigt. Scheint eine Art Lexikon zu sein. Die Erklärungen sind interessant, laufen aber alle darauf hinaus, dass es uns nicht gibt. Nun gut. Nicht überraschend. Ehrlich gesagt, habe ich auch keine Ahnung, woher die Werwölfe wirklich kommen. Ich weiß woher ich komme, dass reicht.
Ich riskiere, mich mit dem Rücken an seiner Brust zu lehnen. Eigentlich müsste ich jetzt wirklich aufstehen, um den Müll in meiner Wohnung einzusammeln, schließlich kann ich nicht alles so lassen. Und die Truhe müsste ich auch in meine neue Wohnung bringen. Und die Wäsche muss in die Wäscherei. Und mein neuer Kühlschrank muss gefüllt werden. Und zu Aidan muss ich auch. Aber es ist grade so verdammt gemütlich. Und es wundert mich, dass Skin mich noch nicht von seinem Schoss geworfen hat. Ich lese mir den Wikipedia-Eintrag durch. "Du bist ein Mythos", sage ich leise. "Wieviel davon stimmt denn?"
Ich zucke mit den Schultern. "Keine Ahnung. Möglich das an dem ganzen Zeug etwas dran ist, aber ich kann es nicht abschätzen. Ich weiß, dass ich mich bei Vollmond in einen Wolf verwandle, seit ich von einem gebissen wurde und nicht daran gestorben bin. Das passiert in der Regel bei Vollmond, es sei denn, man lernt es zu kontrollieren, bei den Älteren kann es ganz kontrolliert werden unabhängig von Vollmond. Wir essen Menschenfleisch, weil wir die Energie brauchen. Wir sind unsterblich, es sei denn man weiß, wie man uns tot kriegt."
Das werde ich ihm aber nicht verraten, wenn er es nicht ohnehin schon weiß. So vertrauensseelig bin ich keineswegs, auch wenn die Situation zwischen uns zurzeit sehr vertraut ist. Ich habe mich daran gewöhnt, dass er auf meinem Schoß sitzt. Es gefällt mir sogar. Es wäre zumindest komisch sich aufzuregen. Nein, wäre es wohl nicht unter Anbetracht dessen, dass er mich hintergangen hat... Aber er hilft uns und ich bin nicht nachtragend. Und ich habe wirklich nichts dagegen, wenn sein niedlicher, kleiner Arsch auf mir sitzt. Nein, wirklich nicht.
"Jedenfalls habe ich über dieses praktische Wissen hinaus kaum Informationen über uns Werwölfe. Ich weiß nicht, woher wir kommen und wer uns erschaffen hat. Keine Ahnung. Ist mir aber auch egal."
Ich höre ihm zu, und nicke ab und zu. Vieles davon habe ich von Aidan über die Werwölfe erfahren. Und wie man sie tötet fand ich selbst raus. Ich weiß nicht, ob eine Silberkugel tatsächlich tödlich ist, aber Köpfen ist sozusagen eine todsichere Methode. Offenbar ist Skin kein Philosoph. "Ist auch unwichtig, oder?" meine ich, mehr zu mich selbst. "Was spielt es für eine Rolle, wo ihr herkommt? Euch gibt es. Und mehr als dieses praktische Wissen brauchst du nicht." Ich bleibe einfach eine Weile gegen ihn gelehnt, doch so langsam wird mir langweilig. Auch wenn ich diese Nähe zu ihm wirklich genieße. "Hey, du wolltest mir doch helfen, oder?" Ich drehe mich fragend zu ihm um. Mit den Recherchen kommen wir eh nicht weiter, und so langsam wird es dunkel. Ich fände es besser, wenn wir nach Sonnenuntergang nicht mehr hier wären.
"Ja...", stimme ich etwas misstrauisch zu. Keine Ahnung warum, aber ich bin mir nicht sicher worauf er hinaus will. Die Truhe sieht tatsächlich schwer aus und ich habe mittlerweile gar keine Lust mehr sie zu schleppen. Außerdem mag ich gerade nicht aufstehen. Obwohl... Gegenüber ist der Club. Ich fände es vielleicht gemütlicher, wenn wir die Örtlichkeiten wechseln würden. Mit dem Internet müssen wir uns vielleicht noch einmal in Ruhe auseinander setzen. Zumindest mit den ... äh... Vampir Datenbanken.
Ich sehe ihn stirnrunzelnd an. "Also, du musst nicht, wenn du nicht willst", meine ich schlicht, und stehe nach einigem Zögern tatsächlich auf. "Du kannst gerne noch ein wenig damit rumspielen", ich zeige mit der Hand auf meinem Notebook, "oder eher, ein wenig üben. Wenn ich fertig bin, sollten wir aber von hier weg, die Sonne geht bald unter." Ich weiß nicht, wieso, aber der Gedanke, nachts hier zu sein, bereitet mir Unbehagen.
"Sag mir doch erst einmal, wie ich dir helfen soll und ich entscheide mich dann", schlage ich vor und kann mir einen Blick auf seinen Hintern nicht verkneifen, als er aufsteht. Die Stelle auf der er saß, fühlt sich so leer an. Wenn ich ihm nicht helfe und die Internetrecherche dennoch sinnlos ist, habe ich eigentlich keinen Grund länger bei ihm zu sein. Allerdings würde ich gerne wissen, wo seine neue Wohnung ist. Überhaupt drängt mich eigentlich nichts dazu, zurück zu Damiens Wohnung zu gehen. Da fällt mir ein: "Du hast vorhin Damien kennengelernt, nicht wahr? Hast du mitbekommen, ob er noch beim Treffen geblieben ist, als ich abgehauen bin?"
"Ich hab' nicht weiter auf ihn geachtet, also weiß ich es nicht", erkläre ich gleichgültig. "Ich dachte, du hilfst mir vielleicht dabei, den Müll einzusammeln." Grinsend deute ich auf den ganzen Müll auf den Boden. "Ich würde die Wohnung gerne sauber hinterlassen." Ich schnappe mir einen der Müllsäcke, die ich gestern gekauft habe, und fange schon mal an. "Aber wenn du keine Lust hast..." Ich zucke nur mit den Schultern. Es ist ja nicht so, als würde ich Hilfe brauchen. Und wenn er sich mit was anderem beschäftigt, auch gut. Hauptsache, er bleibt noch eine Weile.
Nun, Mülleinsammeln gehört nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Erst recht, wenn es nicht mein Müll ist. Ich rümpfe ein wenig die Nase und betrachte dann die leeren Essensschachteln. Ist eigentlich ein Unding, wie es hier aussieht. Ich bin ja auch nicht gerade ein ordentliches Wesen, aber das hier... "Na gut. Hast du noch eine Tüte?"
